Giftpille: Niederlage für Bayer in Sachen Glyphosat

Der Kauf von Monsanto wird für Bayer zur Giftpille: Der Stoff wird in einem wichtigen Prozess als krebserregend definiert. Damit drohen dem Konzern vernichtende Schadensersatzzahlungen.

ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images

Die Jury in San Francisco hat abgestimmt: Sie hält Glyphosat für »schuldig« an der Krebserkrankung des Klägers Ed Hardeman. Hardeman ist an Lymphdrüsenkrebs erkrankt und gibt dem Pflanzenschutzmittel Roundup des Herstellers Monsanto die Schuld. Wirkstoff ist Glyphosat, das habe die Krankheit ausgelöst.

Religion statt Wissenschaft
Ein Kampf um Glyphosat - die Hintergründe
Der Richter hatte das Verfahren in zwei Teile aufgesplittet: Im ersten sollte geklärt werden, ob Glyphosat die Ursache sein könne, ab heute soll im zweiten Teil darüber befunden werden, ob Monsanto über die Risiken täuschte und wie hoch der Schadensersatz sein könne.

Für Bayer, das Monsanto spektakulär gekauft hatte, bedeutet das Urteil eine schwere Schlappe. Das Unternehmen hoffe, dass im zweiten Teil des Verfahrens Monsanto nicht für die Krebserkrankung haftbar gemacht werde. Diese Entscheidung habe auf die übrigen Fälle keinen Einfluß, obwohl das Verfahren in San Francisco als richtungsweisendes »Bellwether Case« angesehen wird. Die Bayer-Aktie brach an der Frankfurter Börse am Morgen um mehr als zehn Prozent ein. Es stehen derzeit noch mehr als 11000 weitere Klagen gegen Monsanto an. Die Klagen und die ersten Urteile sind wie eine „Giftpille“, die mit dem Kauf von Monsanto geschluckt wurde: Sie bedrohen den Konzern.

Unentschiedener Polit-Prozess
Glyphosat
In einem ersten spektakulären Prozeß im vergangenen Sommer wurde Monsanto zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 289 Millionen Dollar an einen krebskranken Hausmeister verurteilt. Über die Berufung von Bayer wird in einem weiteren Verfahren ab dem 22. April entschieden.

Überraschend ist, dass die Kläger die Jury in San Francisco dazu bringen konnten, Glyphosat als Grund für die Erkrankung Hardemans anzusehen. In der Regel ist es schwierig bis unmöglich, eine einzelne Ursache für eine Krebserkrankung auszumachen. Wissenschaftliche Beweise über eine Gefährlichkeit von Glyphosat gibt es zudem nicht. Jüngst hatte das kanadische Gesundheitsministerium Glyphosat als unbedenklich eingestuft. Einwände könnten wissenschaftlich nicht gestützt werden, meinte das Ministerium. Ebenso urteilte das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), dass es für Glyphosat keine Anzeichen für eine krebsauslösende Wirkung gäbe. Seine Behörde hielt trotz Morddrohungen an ihrer Einschätzung fest; in Italien wurden sogar Angestellte der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die ebenfalls Unbedenklichkeit bescheinigt, durch Briefbomben verletzt.

Glyphosat gibt es seit 40 Jahren und ist eine der weltweit am besten untersuchten Substanzen. Es ist gleichzeitig das wichtigste Pflanzenschutzmittel. Hinter dem Kampf gegen Glyphosat und Bayer mit US-Tocher Monsanto stehen NGOs, die mit allen Mitteln gegen Wissenschaftler und Industrie kämpfen.

Im Verbotswahn
Weltweiter Kampf gegen Glyphosat
Eine ihrer wichtigsten Stützen ist die International Agency for Research on Cancer (IARC) mit Sitz in Lyon. Sie firmiert als Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation (WHO). So schwingt automatisch deren Name mit, wenn die IARC wieder irgendeinen Stoff als »krebserregend« einstuft. Doch die Agentur gilt als nicht seriös und als von Aktivisten übernommenes Instrument.
Die IARC stuft bis auf eine Ausnahme alle von ihr untersuchten Stoffe als krebserregend ein und hat dafür Wissenschaftler befragt, die bereits kritische Studien zu Glyphosat veröffentlich haben. Sie urteilen über ihre eigenen Arbeiten, eine kritische wissenschaftliche Diskussion findet nicht statt. Das, was jetzt Boeing zum Vorwurf gemacht wird, dass nämlich eigene Ingenieure teilweise die Kontrollaufgaben der staatlichen Aufsichtsbehörde FAA übernommen haben, geschieht bei der IARC schon lange. Zudem wurde der Bericht über die angebliche Gefährlichkeit von Glyphosat kurz vor der Veröffentlichung umgeschrieben und ins Gegenteil verkehrt, wie Reuters Korrespondentin Kate Kelland herausgefunden hatte.

Der Patentschutz für Glyphosat ist ausgelaufen, mittlerweile stellen weltweit ungefähr 70 Unternehmen vor allem in Asien das Unkrautvernichtungsmittel her. Eine ähnlich gezielt einsetzbare und ungefährliche Alternative gibt es trotz 30-jähriger intensiver Forschung bisher nicht. Sollte das Mittel vom Markt genommen werden, wie das ein Mitglied der Regierungskommission »Deutscher Corporate Governance Kodex« schon fordert, würde das die Landwirte in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Allerdings nur hierzulande, in den asiatischen Ländern spielt die Diskussion kaum eine Rolle. Dort ist auch nicht so viel Geld zu holen wie bei Bayer.

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Kommentare ( 56 )

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56 Comments
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Old-Man
5 Jahre her

Es könnte einem so vorkommen,das Monsanto für großes Geld an die Bayer AG verkauft wurde um die anstehenden Prozesse als lachender dritter mit gefülltem Geldbeutel zu beklatschen.
So dumm können nur Manager sein,ein Unternehmer geführtes Unternehmen fällt auf so einen Deal nicht herein!
Warnungen von Fachleuten gab es ja zu Hauf,also gilt auch hier : wer nicht hören will muss fühlen,aber am Ende wird es wie immer die Beschäftigten treffen!!

Seneca
5 Jahre her

Es geht rechtlich nicht um die Karzinogenität von Gyphosat an sich sondern vielmehr um eine nicht ordnungsgemäße Verwendung und Dosierung des Mittels und diesbezüglich fehlende Warn- und Risikohinweise. Der Verweis von Bayer auf entlastende Studien geht deshalb fehl. Man hat im Übernahmeprozess von Monsanto ganz offensichtlich keine saubere Due Diligence der rechtlichen Risiken gemacht. Monsanto hatte Bayer wohl auch keinen umfassenden Einblick gewährt. Man hat diese Übernahme dennoch grob fahrlässig durchgezogen. Deutsche „Top“-Manager sind mittlerweile genau so kurzsichtig wie deutsche „Top“-Politiker. Warum sollte es auch anders sein?

Augustiner Edelstoff
5 Jahre her

Die Übernahme von Monsanto wurde auch im Hintergrund eingetütet.
Das die Bayer AG Monsantofür stolze 66 Milliarden Euro übernimmt, entscheiden nicht der Vorstand Baumann, sondern die grossen Anteilseigner; allen voran BlackRock, die im konkreten Fall besonderes Interesse haben, da sie mit 5,6% auch grösster Einzelaktionär von Monsanto sind.
So läuft das ab.

Augustiner Edelstoff
5 Jahre her

Ergänzung: Werner Baumann hat nichts zu entscheiden, auch wenn es die Finanzpresse meist so darstellt. Baumann ist nur ein Angestellter. Der Bayer-Konzern gehört heute zu 93% institutionellen Investoren. Grösster Einzelaktionär ist BlackRock mit 7,12%, dahinter kommen die Capital Group, die zwei Schweizer Vermögensverwalter UBS und Credit Suisse, die Société Générale aus Frankreich und Morgan Stanley aus den USA. Diese Firmen haben Werner Wenning zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Bayer AG bestimmt, wo er auf ihre Anweisung hin die Leitplanken für die Unternehmenspolitik setzt. So wie Bayer geht es fast allen DAX Unternehmen. Nochmal ein Dankeschön an Ex-Kanzler Hr. Schröder der… Mehr

Klaus Reichert
5 Jahre her

Haben die Vorbesitzer von Monsanto den Laden rechtzeitig an Bayer verkauft, weil das Prozessrisiko zu hoch geworden war? Hat Bayer das nicht richtig eingeschätzt? Haben US – Gerichte jetzt weniger Probleme, auf hohen Schadenersatz zu entscheiden, wenn sie wissen, dass es ausländisches Geld ist, was dann nach Amerika fließt? Alle Kläger haben 20, 30 Jahre lang in riesigen Mengen Glyphosat eingesetzt. Offenbar ohne vernünftige Schutzmaßnahmen („Kleidung durchnässt“). Ist nicht fast jeder Stoff unter solchen Umständen gesundheitsschädlich und spricht es nicht für Glyphosat, dass nur sehr wenige, sehr unbedachte Menschen eine Schädigung davontrugen? Was wäre unter gleichen Umständen bei Einsatz eines… Mehr

Augustiner Edelstoff
5 Jahre her
Antworten an  Klaus Reichert

Die Vorbesitzer von Monsanto sind die selben Besitzer wie von Bayer, fragen Sie mal bei Larry Fink – BlackRock nach. Er kann ihnen sagen warum er diesen Deal wollte. Die Gestalten im Aufsichtsrat nicken und ziehen eine Show ab. Wie immer wird im Kaminhinterzimmer der Deal geplant und umgesetzt.

Augustiner Edelstoff
5 Jahre her

Damit drohen dem Konzern vernichtende Schadensersatzzahlungen. ….

War das nicht das Ziel der angloamerikanischen Grossinvestoren??????
FYI die Aktienpakete haben genau diese Investoren kurz nach dem Merge „abgestossen“. Deutsche und Aktientricks, das passt nicht zusammen.
Allerdings sollten die Verantwortlichen Verwaltungsräte näher untersucht werden, zu „wem Sie Beziehungen“ haben.
Jeder Mensch der nur etwas logisch denken kann hatte das alles vorhergesehen!

Theo van Gogh
5 Jahre her

Eins verstehe ich nicht: Als Bayer Monsanto kaufte, war die Diskussion um Glyphosat schon voll im Gange. Haben die sich etwa nicht abgesichert?

Amerikaner
5 Jahre her

Hier laufen z. Zt. rund um die Uhr Anzeigen im Fernsehen, man solle sich bei dieser oder jener Anwaltskanzlei melden, wenn man Lymphdrüsenkrebs hat oder hatte und irgendwann mal dem Unkrautvernichter Roundup ausgesetzt war. Roundup gibt es hier allerdings in jedem besser sortierten Supermarkt.

Ruhrler
5 Jahre her
Antworten an  Amerikaner

Ob der Schuss nicht nach hinten losgeht muss sich erst noch zeigen. Selbst das IARC hat vor wenigen Tagen jenes hier veröffentlicht:

„Glyphosate
We did not observe an association between risk of NHL overall and ever use of glyphosate, a broad-spectrum herbicide used in agriculture and other settings.“
https://www.iarc.fr/fr/news-events/pesticide-use-and-risk-of-non-hodgkin-lymphoid-malignancies-in-agricultural-cohorts-from-france-norway-and-the-usa-a-pooled-analysis-from-the-agricoh-consortium/

Das (IARC) waren genau die Gestalten die zuvor Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatten. Anscheinend sind sie doch etwas besorgt um ihren Ruf, wo doch von der FDA über die EPA. WHO und auch europäische Behörden Glyphosat als nicht krebserregend einstufen.

StefanB
5 Jahre her

Da diese Entwicklung absolut vorhersehbar war und deutsche Manager nicht unbedingt als Volltrottel gelten, stellt sich die Frage wie und von wem es „organisiert“ wurde, dass eine deutsche Firma eine Ami-Firma gekauft hat, die in absehbarer Zeit immensen Schadensersatzforderungen ausgesetzt ist, die sogar das ganze Unternehmen in seinem Bestand gefährden kann.

Aegnor
5 Jahre her

Bei solchen Prozessen weiß man doch vorher was herauskommt. Eine Geschworenen-Jury aus Durchschnitts-Amerikanern die keine Ahnung von der Materie hat und nicht an die beratenden Gutachter gebunden ist, soll das Urteil in einem Prozess fällen, wo ein armer, krebskranker Hausmeister gegen einen ausländischen (!) Pharmakonzern steht. Also wirklich. Auch in Deutschland sähe das Ergebnis bei diesen Umständen ganz genau so aus. Das ist keine unabhängige Justiz, sondern ein Schauprozess.

Augustiner Edelstoff
5 Jahre her
Antworten an  Aegnor

Genauso ist es! Mir fällt auch immer mehr auf, das Deutsche Konzerne wie VW und Daimler von Provinz-Richtern und einer Laientruppe zu irrwitzigen Summen verklagt werden.