Tagesgrämen Teil II

Israel ist eines der Feindbilder der deutschen Linken. Kein Wunder, dass jetzt die ARD-Tagesthemen in die Kiste mit den Sommergeschichten greifen und heraus kommt ein sonnengetrocknetes Wurfgeschoss für den Befreiungskampf der Palästinenser.

Screenshot: ARD, Tagesthemen

„… und will die Wüste zu Wasserseen machen und das dürre Land zu Wasserquellen“ (Jesaja 41-18) Die Söhne Moses‘ teilen immer noch das Wasser. Aber angeblich auf eine Weise ungerecht gegenüber den Palästinensern, dass sich die ARD-Tagesgrämen empörten und ihren Tel Aviver Korrespondenten Markus Rosch von der Kette ließen, der doch gerade noch ein paar coole Reserve-Bumpees an seiner Kletterwand twitterte, bevor das Wasser endgültig über ihm zusammenschlug.

Das tägliche Thema zum Fremdschämen

Kaum haben wir Luft geholt, den Fernseher wieder eingeschaltet, kommt schon wieder der nächste Tagesgrämen-Supergau? Nein, wir hatten nur nach der ÖR-Wahlkampfhilfe für die Grünen und für „Wir schaffen das!“ den Fernseher zu früh ausgeschaltet oder aus dem Fenster geworfen. Denn diese Tagesgrämen-Sendung vom 14.08. hatte es in doppelter Hinsicht in sich. Kurz nachdem Katrin Göring-Eckardt wieder in diese baumgrüne Parkkulisse entschwand, wurde es trocken. Sogar furztrocken:

„Im Jordanland brennt die Sonne nahezu täglich. Dreißig Grad und kaum Regen. Davon fällt in ganz Israel ohnehin nie genug.“

Erzählte Pinar Atalay vor einem Panoramabild eines irgendwo in der Wüstenei Wasser schippenden Mannes mit Turban. Walle, walle, manche Strecke, dass, zum Zwecke, Wasser fließe und mit reichem, vollem Schwalle zu dem Bade sich ergieße …

Wo diese feuchtfröhliche Reise bei Tagesgrämen indes hingehen soll, wird schnell klar: „In dem palästinensischen Gebiet wird der Wasserbedarf nie völlig gestillt, denn Israel hat es in der Hand, wieviel Wasser fließt. (…) Wie sehr die Menschen darunter leiden, berichtet Markus Rosch.“ Zu Rosch gleich noch mehr.

Es geht also um die Verteilungsgerechtigkeit von Wasser. Wahrscheinlich der zweitälteste Grund für nachbarschaftliche Streitereien kurz hinter dem um diese bildhübschen Töchter der verfeindeten Sippen. Romeo und Julia trafen sich am Brunnen. Und „dem anderen das Wasser abgraben“ hat es zum geflügelten Sprichwort geschafft. Heute spricht man zudem immer häufiger vom zukünftig drohenden Krieg ums Wasser.

Rosenkriege bis aufs Wasser

Ach, die Geschichten sind vielfältig bis hin zu den Fair Trade Rosen, die wir im Supermarkt für 1,99 Euro kaufen, die aber anscheinend in Afrika der Landbevölkerung die Wässerung ihrer Felder unmöglich machen, weil diese Rosen eben viel zu viel davon wegsaufen, dort unten aber eigentlich gar nichts verloren haben. Wir könnten noch rüber schalten nach Las Vegas, diesem Spielerparadies mit der gefühlt größten Pooldichte mitten in der Wüste. Eine große Wasserzockerei.

Aber bleiben wir weiter bei ARD-Tagesgrämen. Und bei den berüchtigten Experten des Hauses. Dieses Mal weiß ein gewisser Clemens Messerschmid mehr. Vorgestellt als deutscher Wasserexperte wäre es auch hier mal wieder hilfreich gewesen, uns den Mann in Gänze vorzustellen. Das musste dann mal wieder Julian Reichelt auf seinem charmanten Pöbel-Twitter übernehmen. Der Chefredakteur von Bild.de hat sich einiges vom ehemaligen Bild-Chef-Pöbler abgeschaut. Wie hieß der noch? Egal. Jedenfalls scheint Reichelt jede Menge Zeit übrig zu haben. Zeit, die er ganz fair mit uns teilen will. Danke, Julian. Und so wühlt er jedenfalls und fand eine Jugendsünde von Messerschmid. Eine im Sound eines Ulrike-Meinhof-Kassibers verfasste Anti-Israel-Schrift von 2002. Dort heißt es:

„Der palästinensische Kampf gegen die israelische Militärbesatzung ist ein Befreiungskampf. Die deutsche Linke (…) muss den eigenen Elfenbeinturm verlassen und »genau hinschauen«, was im Nahen Osten vor sich geht.“

Jetzt ist der Befreiungskampf GEZ-finanziert. Und bei Tagesgrämen heißt es weiter: „Ali Osman schleppt Wasser aus dem Supermarkt nach Hause bei weit über 30 Grad.“ Ja hat der gute Mann denn kein Auto? Oder haben die Israelis den Sprithahn auch schon zugedreht? Möchte man fragen, aber das wäre wohl mindestens so zynisch, wie die Aufforderung doch Kuchen zu essen, wenn kein Brot mehr da wäre. Und möglicherweise wurde Ali Osmans Auto ja von israelischen Atombomben zerstört, als die das letzte Mal über seinem Haus gleich ein paar im Dutzend abgeworfen hatten. Auf die Bild-Klischees der ARD gibt es kaum gröbere, die noch passen könnten.

Atombomben auf Wasserträger

Verzeihen Sie mir die Boshaftigkeit, aber nur so lässt sich wahrscheinlich diese Eskalationsspirale in diesem nie enden wollenden Konflikt beschreiben. Eine Blaupause der Handlungsunfähigkeit bezüglich weltweiter Konflikte. Wie viele Politiker haben sich daran schon die Zähne ausgebissen und möglicherweise sind mittlerweile schon so viele Geldgeber involviert, dass ein Ende des Konfliktes für einige Profiteure einen herben Verlust bedeuten könnte.

MesserWasserschmid

„Wasserschmid“ erzählt, es gäbe keine Genehmigung für die Palästinenser, Brunnen zu bohren, obwohl genug Grundwasser vorhanden wäre. Ich kann nichts dafür, aber mir fällt sofort dieses illegale Tunnelsystem im Gazastreifen ein, verbunden mit der bösen Frage, ob die wasserlosen, nicht die waffenlosen, Brüder um Hilfe bitten könnten, um ratzfatz ein paar veritable Brunnen zu bohren. Aber Selbsthilfe statt Raketen auf Siedlungen? Doch nicht im Befreiungskampf. Oder gar Wasserentsalzungsanlagen, die in Saudi-Arabien die Wüste zum Blühen bringen? Nicht in Gaza, dort leben ja die Brüder und Schwestern, die reiche Araber wie deutsche Linke für ihren täglichen Befreiungskampf gegen Israel brauchen.

Aber illegales Wasser? Und dabei immer so tun, als sei man kurz vor dem Verdursten, wenn der israelische Posten mit der Handatomwaffe am Haus vorbei patrouilliert?

Nein, Wasser ist ein Menschenrecht. So festgeschrieben am 28.Juli 2010 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Die USA haben sich übrigens mal wieder enthalten (Israel auch?). Wahrscheinlich, weil sie es längst zulassen, dass in ihrem eigenen Land Konzerne Wasservorkommen im großen Stil privatisieren.

Bilder, die einem das Wasser in die Augen treiben

Die ZEIT hatte übrigens schon 2010 eine Verbindung von diesem Menschenrecht hinüber zu durstenden Palästinensern geschlagen, als man seine Berichterstattung über die Resolution mit einem Wassermangel-Bild aus palästinensischen Flüchtlingscamps garnierte.

Deutsche leben in Deutschland? Wo kämen wir denn da hin?
Tagesthemen: Nachrichten oder Schauermärchen?
Die bei Tagesgrämen verhandelte Thematik ist also aufgewärmt. Sogar im doppelten Sinne, denn die Interview-Zitate liefen schon in einer längeren Version beim Bayrischen Rundfunk. Dort erklärt Messerschmid, „dass jetzt neue (israelische) Siedler Landwirtschaftsgebiete in illegalen Siedlungen auf gestohlenem Land (…) überall aus dem Boden sprießen (lassen).“ Ein Sommerlochdebakel eines Korrespondenten mit Doppelpass zu einem Aktivisten, der in der Hitze zum „Experten“ verflirrt und jetzt also doppelt auf Sendung ist.

Und vor Weihnachten wird dann wieder kiloweise Jaffa-Obst angeboten – Israel ist einer der wichtigsten Anbieter von Zitrusfrüchten in der Europäischen Union – das gemästet wurde mit Wasser, das palästinensischen Kindern quasi aus dem Trinkbecher entwendet wurde. Ein kurzer Weg zum nächsten Boykott „Kauft nicht von Juden!“, so zumindest eine mögliche Reaktion auf den Sound der Sendung, der einen veritablen Shitstorm auslöste bis hin zum Antisemitismusvorwurf an die ARD.

Klar, dass man so etwas nicht auf sich sitzen lassen darf. Eine weinerlich-aggressive Stellungnahme zur Kritik am Beitrag erklärt da: „Wir nehmen uns berechtigte Kritik zu Herzen, berücksichtigen sie und lernen daraus. Allerdings bitten wir darum, dabei auf sachlicher Ebene zu bleiben.“ Tja, wie schwer ist es denn mit dem Lernen bei journalistischen Grundtechniken? Und wenn das nur immer so einfach wäre mit dem sachlich-bleiben im Anschluss an wieder eine neue Folge Tagesgrämen.

Nächstes Mal dann live aus der Negev-Wüste, einer „Wüste mit Wasser und Wein“, wie die WELT 2012 berichtete. Marko Martin war im Pick-Up-Bus unterwegs mit einem Herrn Ziv – der ist wie unser ARD-Messerschmid ein gelernter Hydrogeologe. An diesen Orten hätte es „einst begonnen, das Besiedeln und Begrünen der Wüste, und zwar bereits im Jahr 1943 unter den Argusaugen der englischen Mandatsmacht.“ Und die Briten waren bestimmt auch echte Wasserratten. Aber am Ende blühte die Wüste trotzdem, man muss halt nur kräftig gießen, dann klappt‘s auch mit den Orangen:

„… und das breite Tal des Wadi Araba ist auf der israelischen Seite zum Teil schon grün.“, schrieb 1960 die Zeit in „Die Bibel wies den Weg“.

Herrje, was für ein Desaster. Vertragt euch endlich und lernt teilen. Trinkt gemeinsam Wasser statt Wein und schmiedet endlich diese blutigen Schwerter zu Pflugscharen. An die Arbeit!

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