Querdenker-Demonstrant in Leipzig zusammengetreten

Neue Eskalationsstufe bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Leipzig: Mutmaßliche Linksradikale haben einen Demonstranten angegriffen, so dass die Polizei einen Warnschuss abgeben musste.

picture alliance/dpa/Zentralbild

Ein Schuss hallt durch die Innenstadt von Leipzig. So könnte ein regionaler Krimi beginnen. Es ist aber seit vergangenem Samstag Teil einer neuen deutschen Realität: Ein Beamter der Leipziger Polizei musste am späten Nachmittag einen so genannten Nothilfe-Warnschuss in die Luft abgeben, um einen mutmaßlich linksextremen Mob davon abzuhalten, einen am Boden liegenden „Querdenker”-Demonstranten mit Tritten gegen den Kopf schwer zu verletzen oder gar zu töten.

Diese Form der politischen Auseinandersetzung ist eine deutliche Zäsur in einer zunehmend hysterischer und aggressiver werdenden Auseinandersetzung: Hier die demonstrierenden Kritiker und dort gewalttätige Verteidiger der Maßnahmen der Regierung.

Ein Sprecher der Leipziger Polizei teilt mit, dass es sich bei dem Opfer nach Selbstauskunft um den Teilnehmer einer „Querdenker”-Demonstration handelt. Medizinisch wurden später nur leichte Verletzungen festgestellt – angesichts der Schwere der Übergriffe eine positive Überraschung.

Die erste offizielle Polizeimeldung lautet so:

„Gegen 18:14 Uhr beobachteten Einsatzkräfte im Bereich der Richard-Wagner-Straße, Höhe Höfe am Brühl eine unüberschaubaren Menschenmenge, aus der heraus eine am Boden liegende Person mehrfach gegen den Kopf getreten bzw. gesprungen wurde. Die geschädigte Person lag hilflos am Boden. Ein Polizeibeamter gab im Rahmen der Nothilfe einen Warnschuss in die Luft ab und beendete so die Tatausführung. Die Tatverdächtigen flüchteten unbekannt. Für den Geschädigten wurde ein Rettungsdienst hinzugezogen. Er wurde mit eher leichten Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert.“

Der Einsatz der Polizei rund um das Veranstaltungsgeschehen vom Samstag endete offiziell erst am Folgetag um 10 Uhr morgens. Mit Unterstützung der Landespolizeien aus sechs Bundesländern und der Bundespolizei sicherten 1.600 Einsatzkräfte das Versammlungsgeschehen in der Stadt ab.

Das Magazin Focus hatte zuerst berichtet und war noch nicht über den Hintergrund der Täter informiert. Das Blatt illustrierte seinen Artikel allerdings bereits mit der Aufnahme eines Demonstrationsgeschehens mit Antifa-Fahnen im Vordergrund und der Überschrift: „Mob prügelt auf am Boden liegende Person ein – Polizei gibt Warnschuss ab.“

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Hier kann man sich tatsächlich die Frage stellen, was die Eskalation wäre – wenn der Mob selber anfängt zu schießen? In dem Zusammenhang berichtet die Polizei nämlich an gleicher Stelle von einer Bedrohung mit einer Waffe aus einem Haus heraus, welches daraufhin von Spezialkräften aufgesucht wurde, wobei sich die Waffe allerdings als Luftpistole herausgestellt haben soll.

TE spricht dazu noch mit einem „Querdenker”, der in diesen Tagen größere Probleme mit dem Oberquerdenker Michael Ballweg hat, der zuletzt damit aufgefallen war, gemeinsame Veranstaltungen mit Reichsbürgern zu machen. Hier weiß man zu dem Vorfall auch nicht mehr, als die Polizei veröffentlicht hat, es besteht aber Gesprächsbedarf über die Rolle von Ballweg für die „Querdenker”-Bewegung. Dazu an anderer Stelle demnächst mehr.

Die Frage muss hier sein, wie eine Bewegung, die zunächst über alle politischen Lager hinweg erfolgreich war, die sogar als eine Art Querfront verstanden werden konnte, heute so kontaminiert erscheint. Der Giftcocktail für die „Querdenker” hat wohl mehrere Zutaten: Er wurde einerseits von den Medien und der Politik bereitet, aber auch von rechten politischen Gruppen, von denen sich die „Querdenker” nicht genug abgrenzen konnten oder wollten, und nicht zuletzt auch von „Querdenkern” wie Michael Ballweg selbst, dessen Rolle auch einigen Mitstreitern dubios erscheint. Hinter vorgehaltener Hand ist sogar von einem „Agent Provocateur“ die Rede. Ballweg selbst spricht gegenüber TE von einem persönlichen Fehler, allerdings auch erst nach konkreter Nachfrage.

Ein Organisator der „Querdenker” schickt einen mehrere Stunden langen Livestream zum Demogeschehen in Leipzig, den wir uns anschauen sollen. Möglicherweise wären da ja die näheren Umstände des Schusses und der Übergriffe mutmaßlich linksextremer Kräfte gegen den „Querdenker” dokumentiert. Die Täter sind flüchtig, die Personenbeschreibungen der Polizei beschränken sich hauptsächlich auf Bekleidung.

Zunächst einmal zeigt die Aufzeichnung des Livestreams eines: Hier demonstriert die Mitte der Gesellschaft, von Rechten keine Spur, nicht einmal von Provokateuren, die sich rechtsradikal und übergriffig geben, um die Versammlung zu diskreditieren. TE hat viele Minuten des Streams angesehen und dahingehend nichts gefunden. Jedenfalls sofern man anhaltende laute und vielstimmige Sprechchöre „Merkel muss weg“ nicht für einen Beleg von Rechtsradikalität hält.

Rote Herzen aus Pappe dominieren das Bild. Auch hier sind es wieder Tausende dicht an dicht und ohne Maske. Selbst die vielen älteren Teilnehmer tragen den Mund- und Nasenschutz nicht. Über weite Strecken sind zunächst keine Maßnahmen der Polizei gegen diese Verletzungen des Maskengebotes erkennbar. Später soll es noch Pfeffersprayeinsatz und einzelne Rangeleien gegeben haben. Der Umgang von Polizei und Demonstranten miteinander macht aber im Video in etlichen Szenen einen entspannten Eindruck. Und hier berichtet nicht das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Die wollen zwar überall vorne dabei sein, wo es um neue Formate in neuen Medien geht und subventionieren solche Kanäle mit mehrstelligem Millionenaufwand, aber Livestreams solcher Demonstrationen sind bisher nicht dabei.

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„Diejenigen, die unserem Volk das antun, gehören auf die Anklagebank und nicht auf die Regierungsbank“, sagt ein Thüringer im Video-Stream, der von sich sagt, er sei einer der Verantwortlichen für die Plakate, die schon am 29.August in Berlin zu sehen gewesen sind, auf denen Regierungsmitglieder in Häftlingskleidung gezeigt wurden. Als nächstes, kündigt er mit lächelndem Gesicht an, wolle man Plakate machen mit „Drosten als Hauptmann von Köpenick“. Auch er ohne Mundschutz, die direkt bei ihm stehenden Beamten tragen Helme mit Gesichtsschutz, die in diesem Falle dann auch die Maskenauflagen erfüllen dürften. Wenn also öfter von „Kampfmontur“ der Polizei die Rede sein sollte, dann muss hier bedacht werden, dass diese Helme gleichzeitig eben auch diese Funktion erfüllen und deshalb möglicherweise auch mal früher als sonst von der Polizeiführung angeordnet werden.

Die Eskalation beginnt, als der Himmel bereits dunkel ist über der Leipziger Innenstadt. Die gewaltbereite Antifa marschiert von vorne auf, die Polizei bildet sogleich einen Kessel um die Querdenkerdemonstranten, möglicherweise auch um diese von der Antifa-Gegendemonstration zu trennen. Ein Ordner spricht davon, dass auch die Rechtsradikalen irgendwo aufmarschiert wären und die Polizei jetzt quasi zwischen drei Stühlen steht, die voneinander zu trennen sind.

Die Demonstranten aus dem linksradikalen Block machen allerdings keinen Unterschied zwischen Rechten und Querdenkern. Es gibt für alle kein Weiterkommen. Die Leute werden aufgefordert, Abstand zu halten, allerdings lassen die Polizeiketten diese Möglichkeit nicht zu, dennoch scheinen die Demonstranten, selbst wenn Platz wäre, alles andere als bereit dazu, hier die Abstandsregel erfüllen zu wollen. Ordner mit gelben Westen säumen den Weg, die Polizei sperrt diverse Zugangsstraßen.

Der Kessel hat drei Stunden gedauert. Tausend Leute. Der Polizeisprecher sagt gegenüber den beiden Videostreammachern in etwa, dass es hier darum ginge, den Demonstranten einen sicheren Rückweg vor der Antifa zu verschaffen, also die Antifa wegzubekommen, um einen Weg zum Markt freizumachen. Nach Stunden werden die Demonstranten in Gruppen zu je dreißig Personen aus dem Kessel entlassen. Die tatsächlichen Temperaturen liegen an diesem Samstagabend bei etwas über dem Gefrierpunkt. Wasserwerfer wurden nicht eingesetzt, laut Polizei auch eben wegen dieser niedrigen Temperatur.

Die Berliner Streamer Anni und Martin sind schon seit Monaten auf fast jeder Demo rund um das Anti-Corona-Maßnahmen-Geschehen unterwegs und sagen von sich, sie würden Zeitgeschichte dokumentieren. Die beiden stellen ihre Videos anschließend direkt bei Youtube ins Netz. Von einem Schuss oder der Gewaltat gegen den Teilnehmer der Querdenker-Demo haben sie nichts mitbekommen. So konnten die beiden auch keine  Filmaufnahmen dazu liefern.

Gegen die Täter von Leipzig wird aktuell ermittelt. Suchmeldungen wurden von der Polizei schon am Sonntag veröffentlicht. Der Nothilfe-Warnschuss ist auch für die Polizei aus Leipzig eine Zäsur. Schusswaffengebrauch gehörte bisher nicht zum Geschehen rund um die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung. Die Situation eskaliert weiter. Aber wohin soll das führen? Längst werden von beiden Seiten Vergleiche mit der Weimarer Republik gezogen. Der Nazi-Vorwurf des Establishments gegen Regierungskritiker steht hier ganz sicher am Anfang der Eskalationspirale und begann bezogen auf die Dresdner Pegida-Demonstrationen. Hier befürchtete man früh den Verlust von Macht. Eine Besorgnis, die sich man mit den Anti-Corona-Maßnahmengegnern und Querdenkern kein zweites Mal machen will.

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Kommentare ( 98 )

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98 Comments
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Johann Thiel
3 Jahre her

Da ist Herr Wallasch leider in die Mainstream-Falle getappt. Auch er hat die „Gefahr von Rechts“ derart verinnerlicht, das jeder Kontakt zu als Rechts Bezeichneten, zu einer direkten „Kontamination“ führt. Sicher ist in dem Artikel, wie immer, alles richtig beschrieben, aber die Relationen werden nicht betrachtet. Heißt es doch allenthalben, dass die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen wieder ins Gespräch kommen müssen, scheint auch Herr Wallasch dieses für bestimmte Gruppen auszuschließen. Mit „Reichsbürgern“ spricht man nicht, mit „Nazis“ auch nicht, mit der AfD nur wenn es sich nicht vermeiden lässt oder so ähnlich. Herr Wallasch beruft sich in seinen Kommentaren darauf, dass… Mehr

Andreas Lange
3 Jahre her

Irgendwie gefällt mir an diesem Artikel die unterschwellig vermittelte Botschaft nicht, dass die bezahlten Schlägertrupps der Antifa ja Krawall machen dürften, würde sich um es „Rechte“ handeln, aber doch bitte nicht gegen die „Mitte der Gesellschaft“. Auch „Rechte“ haben aber, sofern sie sich an die allgemeinen Demonstrationsgesetze und die spezifischen Auflagen halten, jedes Recht, sich „friedlich und ohne Waffen“ zu versammeln oder an Demos teilzunehmen, deren Ziele sie unterstützen und die für alle offen sind. Und auch bei Demos der sog. „extremen Rechten“ geht die Gewalt doch gerade nicht von den Teilnehmern, sondern von den „zivilcouragierten Gegendemonstranten“ aus, die ihre… Mehr

Vogelfrei
3 Jahre her

Die „Antifa“-Sturmabteilung hat also die Macht, die Polizei dazu zu zwingen, gänzlich unmilitante Normalo-Demonstranten über mehrere Stunden einzukesseln.

Last edited 3 Jahre her by Vogelfrei
AlNamrood
3 Jahre her

Das ständige Kuschen und Entschuldigen ist der absolut falsche Ansatz. Ich dachte das wäre bei Konservativen mittlerweile angekommen. Die Linken entschuldigen sich nicht für ihre Randale sondern feiern es sogar.

Axel Jung
3 Jahre her

Wohin soll das führen, fragt sich der Autor das Naheliegende im Angesicht von solchen Zuständen. Dieses Land braucht dringend verbale und sonstige Abrüstung. Ein erster Schritt dazu wäre, dass die Kontrahenten auf allen Seite mal vor der eigenen Haustüre fegen und der Frage nachgehen, welchen Anteil sie selber (!) an diesen Zuständen haben und ihr Verhalten entsprechend anpassen. Wenn ich mir die Kommentare hier und anderswo anschaue, bleibt mir nicht gerade üppig Hoffnung, dass es dazu kommen wird – allenthalben wird fleissig weiter auf die jeweils anderen eingedroschen. Gewinnen kann man so nicht, aber alle zusammen sehr wohl sehr viel… Mehr

Onan der Barbar
3 Jahre her

Welche Sanktionen haben der Polizist und der Getretene zu befürchten? Ersterer wird wahrscheinlich aus dem Dienst entfernt, letzterer dem sog. Doxxing (Ausbreitung von Personalien in den asozialen Netzwerken verbunden mit Aufrufen zu „Aktionen“) zugeführt werden. Ich meine, das geht ja wohl nicht, dass da Leute glauben, sich den Rittern des Lichts einfach so in den Weg stellen zu können.

Vogelfrei
3 Jahre her

Zur Abgrenzeritis: So ganz genau weiß ich nicht, ob ich mich als Liberalen oder als Libertären mit der Sehnsucht nach Schutz (z.B. der Grenzen und vor Gewalt) durch den Staat bezeichnen soll. Ohne irgendein Label scheint es heutzutage nicht mehr zu gehen und ich habe gelernt, dass ich in den Augen des tonangebenden Mainstreams ein Rechter bin, angefangen damals, als ich diese neue Partei der Wirtschaftsprofessoren, die gegen die Währungspolitik opponierten, zu wählen begann. Und später erst, als mir das millionenfache Hereinspazieren der Muselmannen, die prompt anfingen einheimischen Frauen massenhaft Gewalt anzutun, nicht gefiel. Da war ich dann plötzlich extrem… Mehr

B.Rehfeldt
3 Jahre her

Auch ich habe den live-Stream aus Leipzig mit kurzen Unterbrechungen gesehen. Ich kann daher nur bestätigen, dass , da es verschiedene Positionen gab, dort Menschen aus der sogenannten Mitte des Volkes unterwegs waren. Der eine oder andere mehr oder weniger skurril, aber das waren Ausnahmen. Nachdem die Menschen zunächst laufen durften, wurden sie auf sehr engem Raum eingekesselt. Dieser Zustand dauerte knapp drei Stunden an, und ich bewundere den Langmut der so zusammen gepferchten Menschen. Es kam immer wieder der Hinweis, dass ein weiterziehen ohne Gefährdung der festgehaltenen Personen nicht möglich sei. Die Polizei und die Demonstranten standen sich nicht… Mehr

Maja Schneider
3 Jahre her
Antworten an  B.Rehfeldt

M.W. ist bisher von keiner der Demonstrationen eine Verbreitung des Virus festgestellt worden, obwohl man davon ausgehen kann dass gerade bei den sogen.Coronaleugnern

Maja Schneider
3 Jahre her
Antworten an  B.Rehfeldt

M.W. ist bisher eine Verbreitung des Virus bei Demonstrationen nicht festgestellt worden, obwohl man sich staatlicherseits sicher sehr darum bemüht, bei Demos der sogen. Corona – leugner eben das festzustellen und zu veröffentlichen.

November Man
3 Jahre her

Mitglieder und Abgeordnete der Altpartien brauchen sich nicht auf der Straße herum prügeln, dafür haben sie die bezahlten, gemeingefährlichen Schlägertruppen der Antifa.  

Thorsten
3 Jahre her

Thema Abgrenzung: Wann grenzen sich Sozialdemokraten und Linke von der Antifa ab? Oder gar Moslems von Islamisten.
Wohlfeile Forderungen, die selbst von diesem Moralaposteln mit der Lizenz zur „Nazi“-Verteufelung nicht erfüllbar sind.

AlNamrood
3 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Vermutlich grenzen sich SPD und CDU nicht von der Antifa und SED ab weil es nichts zum abgrenzen gibt, genau wie bei Islam und Islamismus.