Mediziner Schrappe: „Frau Merkel hat sich in einem Tunnel vergraben“

Der renommierte Mediziner Matthias Schrappe rechnet mit der Politik der Bundeskanzlerin ab: „In der Risikoforschung nennt man das Kuba-Syndrom, wenn sich eine Führungsgruppe nur mit Menschen umgibt, die alle der gleichen Meinung sind. Dann gibt es nur die dauerhafte Fortsetzung von Fehlern.“

picture alliance / NurPhoto | Achille Abboud

Jetzt, wo die Kanzlerin das deutsche Familienporzellan restlos zerschlagen hat, werden auch jene Stimmen lauter, die sich bis dahin lieber mit abgespreiztem Finger an der dünnen Teetasse zurückgehalten haben. Dieser Tanz auf dem Vulkan erinnert an die letzten Tagen der DDR: Jeder möchte schnell noch zu den Regierungskritikern gehören. Jetzt gilt es bereits, sich für die Zeit danach zu positionieren, seine Akte von Merkelapplaus zu säubern – klar, das Internet vergisst zwar nichts, aber wenigstens ein Wechsel noch vor dem Wechsel sollte erkennbar sein.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
In der jüngsten Runde aus Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten wurde einmal mehr der Lockdown bestätigt. Lediglich die Öffnung der Friseure wurde dem Volk als Sedativum hingeschleudert. Sicher auch besser so, denn in allen Bundesländern waren mittlerweile gut organisierte wie erfolgversprechende Klagen der Friseure eingegangen.

Schon seit Jahr und Tag und nicht erst seit gestern kritisiert der Mediziner Matthias Schrappe die Corona-Maßnahmenpolitik der Bundesregierung. Der für sein Qualitätsmanagement bekannte Professor bekleidete schon diverse Funktionen im Gesundheitswesen – von der Mitgliedschaft im Sachverständigenrat bis hin zur Funktion des Generalbevollmächigten im Aufsichtsrat des Klinikums der Universität Frankfurt am Main.

 Schrappes Internetauftritt bringt zwar mutmaßlich Legionen von Webdesignern zum Weinen, weil sie so staubtrocken und technisch mehr als simpel konstruiert ist, aber seine dort veröffentlichten „Thesenpapiere zur Coronapandemie“ werden auf der medizinischen wie politischen Entscheiderebene mindestens zur Kenntnis genommen.

Aus gut informierten Kreisen heißt es gar, sein erstes Thesenpapier von Anfang März 2020 soll die Kanzlerin persönlich veranlasst haben, sich telefonisch bei Schrappe zu melden, und dabei soll sie ihm vorwurfsvoll gesagt haben, dieses Papier käme doch wohl „zur Unzeit“.

Aber offensichtlich hat diese Mahnung der Kanzlerin den guten Mann nur noch befeuert; von da an kamen die Thesenpapiere nämlich in schöner Regelmäßigkeit. Ja, es gibt sie tatsächlich noch in Deutschland, solche Charakterköpfe, die nicht erst auf der Untergangsparty den Oppositionellen geben. Zu allem Überfluß gründete Schrappe Anfang Februar auch noch eine Initiativ-Gruppe „CoVID-Strategie“, die sich mit kritischen Fragen zur Corona-Epidemie befasst und „wissenschaftlich bzw. fachlich abgesicherte Postionen veröffentlicht“.

Die ausgewählten medizinischen Gefälligkeitsberater der Kanzlerin und Angela Merkel selbst sehen sich jetzt renommierten Medizinern und Kritikern gegenüber, vereint in einer Art wissenschaftsbasierter außerparlamentarischer Opposition rund um Schrappe. Und diese Opposition richtet ihr Augenmerk mit Scheinwerfer in der Hand auf die gesellschaftliche Schäden der Corona-Maßnahmenpolitik der Bundesregierung.

Noch gefährlicher: Schrappe kann auch Polemik. Im Interview mit dem Focus beispielsweise erklärte Schrappe:

„Die politische Führung verbreitet keine Botschaft, die eine Aufbruchsstimmung erzeugen kann. Nur Angst. Und das seit einem Jahr. Die ganze Gesellschaft ist in einem passiven Schockzustand.“

Vieles was Merkel anleiert, sei zu spät passiert. Dabei fehle der Regierung auch noch der Mut und überhaupt der Wille anzupacken. Der kleinste befürchtete Corona-Fall irgendwo in einer Kita würde schon ausreichen, dass sich keiner mal nach vorne wagt und von Öffnung spricht. Die Politik, so Schrappe, „tappt in die Befürchtungsfalle.“

Auch der Wille zum kreativen Experiment sei ausgestorben: „Der Erfindungsreichtum der Gesellschaft wird überhaupt nicht genutzt.“ Wo Merkel ein ganzes Land unter das Schwert der Mutationsbedrohung stellt, sagt Schrappe: „Die Bedrohlichkeit der Mutationen ist ja nichts weiter als Propaganda.“ Auch die dazu veröffentlichten Studien würden nichts hergeben. Noch verheerender: Der Professor stellt gegenüber Focus fest: „Es sieht eher danach aus, dass dort, wo starke Mutationen sind, die Zahlen runter gehen.“

Überhaupt fragt sich Schrappe, was soll der ganze Unfug mit den Mutationen: „Viren verändern sich sowieso immer.“ Auch die britische Mutation wäre bisher kein großes Problem. Die Politik würde aber nur eines befeuern: Die „Angststarre“.

Schrappe gilt als ausgewiesener Fachmann, aber er rechnet nicht mehr damit, dass die Kanzlerin davon wird profitieren wollen, wie er im Interview mit der Zeitung vermutet: „Frau Merkel hat sich in einem Tunnel vergraben.“ Und weiter erklärt Schrappe: „In der Risikoforschung nennt man das Kuba-Syndrom, wenn sich eine Führungsgruppe nur mit Menschen umgibt, die alle der gleichen Meinung sind. Dann gibt es nur die dauerhafte Fortsetzung von Fehlern.“

Das Syndrom heißt so, weil Präsident John F. Kennedy nur von Beratern umgeben war, die ihm zur Unterstützung der Anti-Castro-Invasion in der Schweinebucht auf Kuba rieten. Niemand machte ihn auf deren Risiken aufmerksam. Und so scheiterte das Unternehmen 1961 blutig – und die USA waren blamiert.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 108 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

108 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Beobachterin
3 Jahre her

„Schrappes Internetauftritt bringt zwar mutmaßlich Legionen von Webdesignern zum Weinen“ Ja? Mal nachsehen …
Oh Schreck! HTML pur.
Aber immerhin! Statt Cookies gibt’s Rezepte. Marokkanische Lammkeule hört sich gut an.  
(Warum sagt ihm das niemand? Es ist wirklich zum Weinen.)

199 Luftballon
3 Jahre her

Merkel hat sich nicht nur in einem Tunnel vergraben sondern sich auch beim Mauerfall die ganze Nacht in der Sauna versteckt. Das ist bei Merkel Usus, wenn es brenzlig wird taucht Merkel ab.
Außerdem muss Merkel endlich mal ihre Stasi Akten heraus rücken, das ist ein Unding das eine Kanzlerin ihre Stasi Akten über Jahre unter Verschluss halten darf während jeder kleine Beamte alles offen legen muss und sämtliche L-Medien schweigen zu diesem Skandal der Sonderklasse.
Auch das Merkel einfach mal so die deutsche Nationalflagge entsorgt ist den gleichgeschalteten L-MSM keine Zeile und kein Wort wert.

Dieanderemeinung
3 Jahre her

Ich fokussiere auf folgenden Punkt:
Der Inzidenzwert von 50 wird nach wie vor gerechtfertigt mit der Nachverfolgbarkeit von Infektionen durch Gesundheitsämter.
Nun haben wir gelernt, dass Gesundheitsämter – wie alle Verwaltungen – nicht auf Leistung getrimmt sind. Sie sind verwaltungsorientiert und arbeiten – wen wundert’s – noch auf Faxbasis.
Nun werde ich als Bürger, der Grundrechte haben soll, an der Leistungsfähigkeit von Gesundheitsämtern gemessen. Die Leistungsfähigkeit von Gesundheitsämtern bestimmt – unausgesprochen – demnach unser gesellschaftliches Leben.
Verkürzt gedacht? Oder ist die Argumentation von Merkel und ihrer Paladine jemals stimmig gewesen? M.E. peinlich, was die Politik hier leistet.

Beobachterin
3 Jahre her
Antworten an  Dieanderemeinung

Stimme ihnen 100%ig zu. Ihre Freiheitsrechte werden indirekt bestimmt durch die Effektivität und Effizienz der Gesundheitsämter. Direkt, durch die Anordnungen der Politik. Das scheint in Stein gemeißelt zu sein – seit Beginn der Pandemie. Von wegen, in jeder Kriese liegt auch eine Chance. Das haben die schon immer so gemacht und dabei bleibt es. Punkt.

andreashofer
3 Jahre her

Am Ende dieses Jahres wird der deutsche Einzelhandel faktisch an Amazon übergeben worden sein. Was ist daran sozialistisch? Es entsteht ein Handelsmonopol in den USA…..

Konrad Georg
3 Jahre her

Tunnel? Nein sie setzt und sitzt das durch was sie will oder soll?!

binweitweg
3 Jahre her

Sehr gut herausgearbeitet und meine volle Zustimmung dafür. Nur ist mir noch nicht so ganz klar, wie denn ein Volk dermaßen eingelullt werden kann, daß es quasi seine ganzen Erfolge in der Wirtschaft, der Kunst und Kultur, der Medizin und Naturwissenschaften so leichtfertig aufgibt.Wenn selbst gute Freunde im Ausland erstaunt fragen und Kopf schütteln über die gegenwärtige selbstmörderische Vernichtung von Existenzen. Und bitte- wie schon von mir oft gesagt ist es nicht erst Corona-die Zerstörung des Landes begann schon mit der Energiewende, dem sinnbefreiten Öffnen der Grenzen und dieser ganzen unsäglichen Gender-u. Feminismusdebatte.Obwohl im Osten sozialisiert, geb ich zu, daß… Mehr

Endlich Frei
3 Jahre her

Das Kuba-Syndrom herrscht in Berlin schon lange, lange, lange.

D. Ilbert
3 Jahre her

Auch ich neige dazu, die Ursache jeglichen Ungemachs bei Merkel und ihrer Chaotentruppe zu suchen. Was bis Ende 2019 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch zutreffend sein dürfte. Seit Corona haben sich die Dinge jedoch verändert. Deutschland geht nicht als einziger Staat den „Lockdown-Weg“. Dies scheint, weltweit, bei allen Industrie- und Schwellenländern, die einzig mögliche Antwort auf Corona zu sein. Wenn also Merkel und ihre Komparsen völlig abgedreht sind, träfe dies auf die Regierungen all der Länder, die das Pariser Klimaschutzabkommen unterschrieben haben, und die heute ALLE in gleicher Weise auf Corona reagieren, auch zu. Eine ganze Menge kann ich… Mehr

Riffelblech
3 Jahre her
Antworten an  D. Ilbert

D. .Illbert möge vielleicht recht haben mit seiner Verwunderung,alles wird in den Staaten gleich gemacht und gleicher Unsinn geschieht. Aber bitte bedenken sie ,das „ Vorspiel „ zu diesen Abläufen wird seit 2012 geübt . Die Industriestaaten saßen alle am Tisch ,als unter WHO und Weltbankleitung die Viruspandemie geprobt wurde. Und interessanterweise im eine Grippevirus als Auslöser . Letztens 2019 , die finale Übungsrunde mit den G20 , namens „Event 201 „. .Ist doch klar ,wenn alles perfekt durchgeplant wurde, sind die Blaupausen alle gleicht. Also sind auch die Reaktionen gleich . Man braucht sich nicht zu wundern . Was… Mehr

andreashofer
3 Jahre her
Antworten an  D. Ilbert

Und da der Leibhaftige ja aus diesem Klimaabkommen ausgestiegen ist und seitdem hier bekämpft worden ist wie nichts Gutes, jetzt aber wieder alles gut ist, können wir uns zusammenreimen, worauf es hinausläuft.
Ich sehe es vielleicht noch radikaler als Sie: Wenn ich mir die „Nachkriegsordnung“ ansehe, sehe ich u.A. amerikanische Internetfirmen als Gewinner.
Und das sind keine fleissigen Dummen, die sind extrem schlau, effizient UND fleissig.

Andreas aus E.
3 Jahre her

Das nicht zu erkennen ist das eigentliche Kuba-Syndrom, in dem beileibe nicht nur Merkelisten gefangen sind.
Als „Berater“ fungieren dann Medien und gute Erziehung bzw. der Glaube an das Gute im Menschen.

Bummi
3 Jahre her

Nach dem Krieg wurde gefragt wie es dazu kommen konnte, dass Millionen Menschen dem Diktator hinterhergerannt sind. Genauso bei Mao, Pol Pot und Stalin, Honecker oder der französischen Revolution. Es sind die gleichen phsychologischen, machtpolitischen etc. Mechanismen die hier wirken, auch wenn sich die Zeiten und konkreten Bedingungen sowie die Folgen unterscheiden. Es zeigt auch das totale Versagen des Parteienstaates der aktuellen Republik und seiner Verfassungsorgane.