Wetter narrte am Rosenmontag den Wetterdienst

Man muss beim Wetter immer mit Überraschungen rechnen. Die Verfallzeit von Vorhersagen kann verdammt kurz sein. Aber es hat den Eindruck, dass sich der Wetterdienst bei der Vorhersage des Klimas in 70 Jahren wohler fühlt als bei nicht einmal 24stündigen Vorhersagen, weil man diese sofort überprüfen und kritisieren kann. So sieht es Wolfgang Thüne.

Die Diskussion um das Wetter zu Karneval in Deutschland hat zumindest eines ins Bewusstsein gerufen. Der Mensch muss das Wetter so nehmen, wie kommt und kann nichts daran ändern. Damit müsste allen jenen, die das Klima schützen und den Klimawandel anhalten wollen, ein Licht aufgehen in Gestalt der Frage, wie man ein Konstrukt wie das Klima, das gänzlich vom Wetter her definiert ist, sich botmäßig machen und disziplinieren kann. Aber dies sei hier nicht weiter diskutiert.

Von vorrangigem Interesse ist die Beantwortung der Frage, was hat sich beim Wetter abgespielt. Die Diskussion um die Absage vieler Umzüge entlang des Rheins erhitzt unverändert die Gemüter. War sie notwendig und wie wird sie begründet? Dies können nicht die Zug-Organisatoren beantworten, sondern nur der Deutsche Wetterdienst.  Er verbreitete am Sonntag um 18.30 Uhr die Meldung, dass „am Vormittag des Rosenmontag von Windstärken um 7 und 8 auszugehen sei. Danach, also ab Mittag, können sie sich auf 9 und gegen 15 Uhr sogar auf 10 steigern“. Solch eine präzise Vorhersage konnten die Veranstalter, in Mainz der MCV, nicht ignorieren und bliesen wehen Herzens den Rosenmontagszug ab.

Doch die Wetter-Wirklichkeit entsprach bei weitem nicht der Wetter-Vorhersage! Was aber bewegte den Deutschen  Wetterdienst zu einer selten detaillierten Prognose? Es ist wohl sein unbändiger Glaube an die „Unfehlbarkeit“ der numerischen Wettervorhersagemodelle, an den Computer als „das elektronische Superhirn der Meteorologen“ (Schwäbische Zeitung vom 7. Dezember 2013). Nach Aussagen des DWD sind genaue Prognosen bis zu sieben Tagen im Voraus möglich. Im Zeitraum von bis zu 36 Stunden liegt die Trefferquote bei 95 Prozent! Von Sonntag 18.30 bis Rosenmontag 14.30 Uhr liegen nur 20 Stunden.

Der DWD meldete schon aufgrund der Vorhersage eines amerikanischen Computers am 2. Februar, dass ein Tief nördlich von Neufundland aufgetaucht sei und Kurs nach Europa nehme, sich zum Orkantief entwickele und genau zum Höhepunkt des Karnevals am Rosenmontag über Deutschland eintreffen werde. Anfangs gehorchte das Tief den Prognosen des Computers. Es wurde auf den Namen „Ruzica“, Röschen, getauft. Das „Röschen“ entwickelte sich prächtig zum Orkan und lag am 7. Februar im Seegebiet zwischen Island und Irland. Seine Kaltfront verlief über England entlang des Null-Meridians über London und Paris quer durch  Frankreich bis zu den Pyrenäen. Sie zeigte keinerlei Besonderheiten. Doch ab hier schlug das Wetter dem Computer ein Schnippchen. Das Orkantief nahm nicht Kurs auf die Deutsche Bucht und wurde von der starken westlichen Höhenströmung gegen die norwegische Küste gedrückt, wo es gespalten wurde.

Von diesem Zeitpunkt an war sicher, dass kein Orkantief mehr kommen würde. Aber auch entlang der Kaltfront zeigten sich, von Satellitenfotos am Faschingssonntag bestätigt, keinerlei Auffälligkeiten. Weder extremer Regen noch extreme Stürme wurden aus Frankreich gemeldet. Eine Verschlimmerung war nicht in Sicht, so dass die Züge hätten stattfinden können. Die Wetterlage war keinesfalls mit der am 25. und 26. Januar 1990 zu vergleichen, als das Sturmtief „Daria“ Rosenmontagsumzüge zum Abbruch zwang. Dennoch kam um 18.30 Uhr eine Orkanwarnung durch den Wetterdienst.

Das Wetter am Rosenmontag machte aber nicht das, was es hätte tun sollen. Bei Durchzug einer schwachen, der Kaltfront um etwa 4 Stunden voraus laufenden Warmfront am Vormittag fiel etwas Regen und der Wind frischte böig auf. Trotz Umzugsverbot in Mainz organisierte um 13 Uhr die Mainzer Ranzengarde, die „Mutter aller Garden“ von 1837, kurzerhand einen kleinen Gardesspaziergang zu der befreundeten Husarengarde. Dieser ging rund um den Dom, wobei zeitweise die Wolkendecke aufriss und die Sonne schien. Zu dieser Zeit wäre normalerweise der Zug durch Mainz gerollt. Hunderte von begeisterten Narren schlossen sich dem Spaziergang spontan an! Bei den vereinzelten Windböen flog kein Hut vom Kopf! Gegen 16.00 Uhr folgte dann der Durchzug der Kaltfront bei etwas stärkerem Regen und böigerem Wind, aber auch ohne schwere Sturm- oder Orkanböen der Stärke 10 Beaufort. In Köln, wo die Warnung des DWD ignoriert wurde, verlief bei aufgelockerter Bewölkung der Umzug reibungslos. In Düsseldorf war der Umzug abgesagt worden wegen des Orkans „Ruzica“, doch um das Rathaus, welch eine Narretei, stellte man bei Sonnenschein die Motivwagen auf, zum „belure“. Sie wurden nicht vom Winde verweht.

Es ist nun interessant, wie der Wetterdienst über seine Meteorologen reagierte. Lars Kirchhübel verteidigte die Prognose. Dies tat auch Björn Alexander und meinte, Düsseldorf und Köln hätten nur Glück gehabt: „Köln sei durch die Eifel geschützt“, doch warum hat man das nicht vorher berücksichtigt und bringt es im Nachhinein als Ausrede? Und warum hatte Düsseldorf Glück? Carsten Schwanke (ARD) twitterte: „Die Absage von Düsseldorf  – für mich ein Rätsel“! Wenn aber Köln von der Eifel geschützt wird, warum dann Mainz nicht von Taunus, Hunsrück und Pfälzer Wald? Kennt man die Topographie des Mainzer Beckens bei der Wetterdienstzentrale in Offenbach am Main nicht? Deren Schutz reichte bis zum Frankfurter Flughafen, dessen Betrieb bis in den späten Nachmittag völlig normal verlief. Die witzigste Anmerkung lieferte Jörg Kachelmann. Er meinte, dass es neben den Orkanböen auch das „Risiko eines Tornados in Düsseldorf mit Toten“ hätte geben können. Da sprach der frühere „ARD-Wetterexperte“, aber kein diplomierter Meteorologe.

Wenn ohne Angabe von Ort und Zeit der Wetterdienst in Deutschland eine einzige Böe von 101 km/h nennt und als Rechtfertigung seiner Orkanwarnung heranzieht, dann ist dies nur eine rein theoretische Rechtfertigung, denn Wettervorhersagen sollen, so sein Anspruch, konkret sein. Verbale Übertreibungen haben bei Wetterberichten nichts zu suchen. 3 Grad sind nicht „mild“, 15 Grad nicht „warm“, die Wolken haben „keinen Regen im Gepäck“ oder lassen Regen zurück. Auch das ewige Zensieren des Wetters samt seiner Benotung sind absolut unangebracht, weil das Wetter nicht uns Menschen gehorcht, sich auch nicht nach unseren Wünschen richtet. Wetterberichte sollen die Menschen sachlich neutral informieren, weder Angst noch Illusionen verbreiten. Maßlose Übertreibungen haben darin nichts zu suchen. Man kann sich auch, wie zu meiner Zeit üblich, für fehlerhafte Vorhersagen entschuldigen und ihr Zustandekommen erklären. Ein Computer hat keine eigene Intelligenz, er kann nicht irren. Aber dies können Menschen, die seine Ergebnisse ohne Abgleich mit der Wirklichkeit blind übernehmen und fortschreiben.

Was soll nun gemacht werden? Sollen die Züge nachgeholt werden? Fastnacht ist an die Fastenzeit wie das Osterfest gebunden und kann nicht willkürlich verlegt werden. Der Karneval in Rio findet auch nicht im dortigen Winter statt, bei weniger Hitze und der Gefahr von Tropengewittern. Und wer kann garantieren, dass bei einem sommerlichen Termin nicht auch wieder eine Kaltfront mit Gewittern, die ja heute alle ein hohes Unwetterpotential „im Gepäck“ haben, mit Hagel und schweren Sturmböen, den Zug vereitelt? Man denke nur an den Rheinlandpfalztag 2012 in Ingelheim, bei dem der Festumzug am Sonntag, dem 3. Juni, total verregnet war und in Regenfluten versank.

Der Bürger wünscht sich wieder mehr Seriosität bei den Wetterberichten. Er weiß um die Wechselhaftigkeit wie Unbeständigkeit des Wetters. Sich adäquat sofort den aktuellen Gegebenheiten anzupassen und nicht „blind“ Warnungen auszusprechen, dafür ist der DWD da. Nicht ohne triftigen Grund werden alle drei Stunden neue Wetterkarten gezeichnet. Man muss beim Wetter immer mit Überraschungen rechnen. Die Verfallzeit von Vorhersagen kann verdammt kurz sein. Aber es hat den Eindruck, dass sich der Wetterdienst bei der Vorhersage des Klimas in 70 Jahren wohler fühlt als bei nicht einmal 24stündigen Vorhersagen, weil man diese sofort überprüfen und kritisieren kann.

Wolfgang Thüne kennt vom Bildschirm, wer in der Bonner Republik dabei war. Der Meteorologe arbeitete in der Analysen- und Vorhersagezentrale des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und daneben als Fernseh-Meteorologe des ZDF.

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