Thorium, Atomkraft und arte

arte preist den Thorium-Flüssigsalzreaktor und hat nicht gemerkt, dass der seinerzeit von Politik und Wirtschaft hochgelobte Hochtemperatur-Reaktor THTR 300 in Hamm-Uentrop in Nordrhein-Westfalen 1983 in Betrieb genommen und von der SPD 1989 aus purem politischem Opportunismus stillgelegt wurde.

Screenshot arte

Warum klappt es nicht so recht mit den Wissenschaftsdokumentationen? Warum muss das regelmäßig in eine fürchterliche Schwarzweiß-Malerei ausarten? Eine Technologie muss als die einzig Heilsversprechende dargestellt, dazu gern ein bisschen Verschwörungstheorie dazu gemischt werden. Dunkle Mächte blockieren den Weg zum Heil; oder ganz schlimm – »wirtschaftliche Interessen« verhindern den Durchbruch. Will man ganz heftig auf die Pauke hauen, flicht man den Begriff »Lügen« ein.

Dass es die mitunter ziemlich komplizierte Natur selbst sein kann, die allzu häufig den Weg versperrt, kommt öffentlich-rechtlichen Redaktricen nicht in den Sinn. Erfolge in der Forschung müssen mühsam erkämpft werden, Fehlschläge sind an der Tagesordnung.

Da nimmt sich Arte ein attraktives Thema vor und dazu viel Geld in die Hand:

Thorium – Atomkraft ohne Risiko?

Immerhin setzen die Macherinnen noch ein Fragezeichen dahinter. Man ist ja schon dankbar, dass nicht nur Wind- und Sonnenanlagen als energiepolitische Rettung der Menschheit dargebracht werden, sondern die ansonsten so böse Kernkraft behandelt wird.

Beschrieben wird das Projekt »Thorium-Flüssigsalzreaktoren«. Nun sind das zwei unterschiedliche Dinge, die nicht zwingend zusammengehören: Thorium ist ein radioaktives weiches Schwermetall, das deutlich häufiger als Uran in der Erdkruste vorkommt und als »Abfall« bisheriger Bergwerkstätigkeiten auf vielen Abraumhalden lagert.

Thorium ist nicht spaltbar und kann selbst kein Kernkraftwerk antreiben. Es muss erst durch Beschuss mit Neutronen in spaltbares Uran 233 umgewandelt werden. Thorium kann auch in anderen Reaktoren als in Flüssigsalzreaktoren verwendet werden. Das Element wird immer wieder als die saubere, sanfte Kernkraft-Alternative »hochgekocht«.

Der Flüssigsalzreaktor ist nur die Art, wie ein Reaktor gekühlt, also mit welchem Medium die Wärme abgeführt wird – wie zum Beispiel unter hohem Druck stehendes Wasser, oder Gas. Was ihn im Inneren antreibt, ist erst einmal egal.

Flüssigsalze haben den großen Vorteil, dass sie im Reaktor auf doppelt so hohe Temperaturen erhitzt werden können wie Wasserdampf. Entscheidend: Der Druck kann dadurch niedriger sein, belastet Behälter, Rohre und Leitungen weniger. Erheblich höhere Wärmemengen können transportiert werden.

Außerdem dehnen sie sich bei Erwärmung aus, der Abstand zwischen den Brennmaterialien wird größer und dadurch wiederum die Kettenreaktion langsamer. Ein sich selbst regulierendes System. Tritt die Flüssigkeit durch ein Leck nach außen, so wird sie fest. Das demonstriert der Film auch gut und folgert gleich messerscharf: Die Dinger sind sicher. – Stimmt so natürlich nicht ganz.

Er erzählt wesentlich die Geschichte des amerikanischen Kernphysikers Alvin Weinberg, der fast von Anfang an in der amerikanischen Kernforschung dabei war, 1965 wesentlich die Entwicklung des Flüssigsalzreaktors vorangetrieben hatte, vor Unfällen mit den gebräuchlichen Leichtwasserreaktoren warnte und als Direktor 1973 gefeuert wurde.

Weinberg ist schon seit zehn Jahren tot. Daher greifen die Macherinnen zu sehr aufwendigen Animationen, lassen ihn als Comicfigur wieder auferstehen und erzählen. Das passt eher zu Disney. Doch der wusste, Animationen müssen Tempo und Dynamik haben. Hier wirkt die Erzählung behäbig und plump. Wohl um die hohen Animationskosten auf mehr Sendeminuten zu verteilen, werden dieselben Trickteile wieder und wieder repetiert, lässt gähnen.

Arte oberflächlich

»Thorium Reaktoren gelten seit einiger Zeit als die Lösung in der Energieerzeugung«, macht der Film weis.

»Wenn man die Atomkraft nicht erfunden hätte«, sagt der Pressetext, »um Hiroshima zu bombardieren oder Militärflotten anzutreiben, wie würden unsere Reaktoren heute aussehen? Wenn von Anfang an die zivile Nutzung der Atomenergie an erster Stelle gestanden hätte – als Lieferant von Energie und Wärme, mit dem Ziel Wind- und Sonnenenergie zu unterstützen, anstatt sie zu ersetzen? Wenn man die Reaktoren so konzipiert hätte, dass sie aus sich heraus sicher wären, anstatt auf ein Arsenal von zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen angewiesen zu sein?

Dann wären unsere Reaktoren heute höchstwahrscheinlich Thorium-Flüssigsalzreaktoren.«

»Doch jetzt, fast ein Dreivierteljahrhundert nach ihrer Erfindung, treten die Flüssigsalzreaktoren wieder auf den Plan. Gescheitert mit ersten Prototypen in den 40er Jahren, endgültig aufgegeben im Jahr 1973, werden sie jetzt wieder von Wissenschaftlern weiterentwickelt. Aber werden sie sich durchsetzen und die Energieversorgung unseres Planeten revolutionieren?«

Unter einer Revolution gehts nicht. Doch viele Fakten werden gar nicht erst angesprochen, wie zum Beispiel welche weiteren Produkte entstehen bei den Reaktionen; jede Technologie hat Vor- und Nachteile. Welche sind es hier?

Atomkraft ohne Risiko? Ohne Risiko gibt es überhaupt nichts. Auch die »grünen« Energieerzeuger stecken voller Risiken: Gesundheitsgefahren und hunderttausendfacher Vogel- und Fledermaustod bei Windkraftanlagen, hohe Mengen an giftigen Schwermetallen in Photovoltaik-Zellen, überall Umweltzerstörung bei der Rohstoff-Gewinnung.

Der Film geht auf eine Tour d’horizon rund um die Welt, zeigt chinesische Versuche eines Flüssigsalz-gekühlten Reaktors für das stromhungrige Shanghai. Der wurde aber aufgegeben, weil es Materialprobleme gab. Auch in Japan gedieh die Forschung am Flüssigsalzreaktor nicht sehr weit. Die Japaner importierten schließlich US-Reaktoren.

Der Film zeigt natürlich die Unfälle 1979 im amerikanischen Three Miles Island, Tschernobyl und Fukushima. Aber nur kurz, nie die Ursachen, nicht die Bedienungsfehler oder falsche Bauweise.

Dagegen wird der Flüssigsalzreaktor als elegante Lösung aller Probleme aufgebaut. Alles verhalte sich wie eine große Wanne, in die alles hineingekippt werde. Gefährliche Stoffe blieben im System und würden ständig recycelt. Ein schönes Märchen; es gibt immer noch Spaltprodukte, sogar harte Gammastrahlung und Abfall. Das muss beherrscht werden.

Thorium – Energie der Zukunft. Doch – so die Autorin – sie wird, na was?, na, totgeschwiegen.

»Thorium-Flüssigsalzreaktor: Nie gehört? Kein Wunder, seit 70 Jahren wird die Technologie von der Nuklearindustrie totgeschwiegen. Dabei könnte Thorium – kein Atommüll, kaum Risiko – die Energieproduktion komplett revolutionieren.«

Totgeschwiegen wurde nichts. Es hat bisher schlichtweg nicht funktioniert.

Der Film suggeriert weiter: Der französische Atomriese Areva habe nicht weitergeforscht, weil er auf Uran fixiert sei, eine komplette Infrastruktur wie in der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague aufgebaut und demzufolge kein Interesse an neuen Technologien habe.

Thorium nicht verstanden, nicht erklärt

Kurzfristige Gewinnerzielungsabsichten der Industrie würden die Einführung dieser Thorium-Technologie verhindern. Er geht allerdings nicht auf die technischen Probleme ein, die es gibt und vor allem die bisher noch mangelnde Wirtschaftlichkeit. Denn normal war einmal, dass Milliarden an Investitionen sich irgendwann amortisieren sollen. Dieses bewährte Geschäftsprinzip änderte sich erst bei Wind- und Sonnenstrom, die mit herzhaften Griffen in die Geldbeutel der Gebührenzahler beglichen werden.

Richtig ist, was der Film wiedergibt: »Die Forschung an Atomreaktoren steckt in der Sackgasse. Es gibt zwei Typen an Kernreaktoren: Druckwasser- und Siedewasserreaktoren. Beide entstanden in den 50er Jahren in Amerika.«

Es gibt mittlerweile eine Reihe neuer Ansätze, nur bleiben sie bislang in den Entwicklungscomputern liegen. Währenddessen beliefern Rußland und China die Welt mit Kernkraftwerken ihres alten Typs. Ein französischer Forscher spricht es aus: Hundert Millionen Euro müssten für weitere Tests für den Flüssigsalzreaktor her, um die Technologie weiter zu erforschen. Das ist gerade mal so viel, wie Familienministerin Schwesig mal eben für »Kampf gegen Rechts« rauswirft und ihre Truppen unterstützt, sie damit gefällig macht.

Der Film baut am Schluss kräftig den Popanz vom Reaktor auf, der alle Probleme löst. ‚Wollen wir in Zukunft investieren oder nicht?‘, fragt bang ein Experte. Mythos »Thorium« statt ordentliche Informationen darüber, wie es funktioniert und welche Vor- und Nachteile es gibt, wo die Forschung steht. Einen Reaktor, der alle Probleme löst, gibt es eben nicht. Ebensowenig wie eine Technologie, die das tut. Beim Flüssigsalzreaktor ist neben den Strahlungsfragen der Umgang mit Salzen, Rohren, Pumpen, Behälter, Wärmetauscher und der Korrosion das große Problem.

Politisch korrekt vergisst die Macherin nicht zu erwähnen, dass im Hintergrund Windkraftwerke und Photovoltaik arbeiten können. Die würden gut zu Flüssigkeitsreaktoren passen. Ein Blick auf die Leistungsdaten zeigt, dass das ausgemachter Unsinn ist Wieder eine Schwarz-weiß-Darstellung. Es ist eben nicht alles Entweder-oder.

Das größte Problem ließ der Film aus: Wie spaltet man Thorium? Das Schwermetall selbst ist kein Brennstoff für Reaktoren, sondern muss erst »erbrütet« werden. Eine genügend hohe Anzahl an Neutronen muss dafür irgendwoher kommen. Dazu wiederum benötigt man Uran oder Plutonium.

Die Macherinnen lassen einen alten Japaner für einen Flüssigkeitsreaktor in seiner abgelegenen, vom wirtschaftlichen Stillstand bedrohten Gegend werben und von zu beheizenden Feldern und Gewächshäusern schwärmen. Das könne alles mit der Abwärme geschehen.

Thorium-Reaktor Hamm-Uentrop 1983 in Betrieb genommen, 1989 von der SPD stillgelegt

Eine einst als technische Zukunft gehandelte Version eines Thorium-Reaktors kommt den Macherinnen nicht in den Sinn, obwohl vor der Haustür gelegen: der seinerzeit von Politik und Wirtschaft hochgelobte Hochtemperatur-Reaktor THTR 300 in Hamm-Uentrop in Nordrhein-Westfalen. 1983 in Betrieb genommen, 1989 stillgelegt.

Er benutzte wesentlich Thorium, das im laufenden Betrieb zu Uran 233 gewandelt wird, das dann wiederum Quelle für die energiebringenden Kernreaktionen sein sollte. Der GAU ist ausgeschlossen, er konnte nicht »durchgehen«. Zu Zeiten der Ölkrise erschien er als das Ei des Kolumbus und zudem als Gegenentwurf mit höherem Wirkungsgrad zu den amerikanischen Leicht- und Druckwasserreaktoren. Der etwa 4 Milliarden D-Mark teure Reaktor sollte neben Strom auch Wärme für Kohlevergasung, chemische Industrie und Fernwärme liefern.

Nach Tschernobyl aber beschloss die SPD den Ausstieg aus der Kernkraft. Seither befindet sich der Reaktor im »sicheren Einschluss«.

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