Anständig unanständig: Randy Marsh in South Park

Seit nunmehr 17 Jahren und sagenhaften 18 Staffeln ist „South Park“ auf Sendung. Im Fokus stehen die vier Charaktere Stan Marsh, Eric Cartman, Kyle Broflovski und Kenny McCormick, auf die nahezu jede Sendung aufbaut. Eine der Nebenfiguren der Serie, deren Gewichtung mit fortlaufendem Erfolg immer weiter ausgebaut wurde, ist die des Vaters von Stan - Randy Marsh.

IMAGO / Everett Collection

Kann man mit Testikeln so groß wie LKW-Reifen endlich legal Marihuana konsumieren? Kommt nach einer exzessiv durchgefeierten US-Präsidentschaftswahlnacht wirklich der große Wandel? Kann man sich pirouettenmäßig auf seinem Monsterschiss zwei Stockwerke nach oben drehen? Wenn Sie Randy Marsh heißen und Bewohner der fiktiven amerikanischen Kleinstadt „South Park“ in Colorado sind, lautet die Antwort: Yes, you can. Deshalb ist Randy Marsh unser erster Sonntagsheld – eine Serie über nicht angepasste Sendungen.

„South Park“ löst bei engstirnigen Gutmenschen regelmäßig entweder einen ordentlichen Blutsturz, einen mittleren Schlaganfall oder auch einen Empörungsmarathon aus, der sich gewaschen hat. Für jeden entspannten und offenen Freigeist aber bietet die US-amerikanische Zeichentrickserie ein wahres Füllhorn an direktem, schonungslosem „in your face“ Humor. Dabei liefert jede Folge „South Park“ à 22 Minuten dem Zuschauer eine regelrechte Katharsis für eine Woche über ihn hinweg geschwappte Welle aus Nonsens und Irrsin durch Politik und Medien. Unter Eingeweihten ist die Serie in Deutschland Kult. So etwas wäre undenkbar im Mainstream-gewaschenen und mit rot-grünem Frottee gerubbelten Einheitsbrei. Political Correctness ist zwar eine Seuche, die in den USA entstanden ist. Aber während Deutschland hilfloses Opfer wird, wuchert in den USA das Gegengift.

Seit nunmehr 17 Jahren und sagenhaften 18 Staffeln ist „South Park“ auf Sendung. Im Fokus stehen die vier Charaktere Stan Marsh, Eric Cartman, Kyle Broflovski und Kenny McCormick, auf die nahezu jede Sendung aufbaut. Die ca. neunjährigen Jungs gehen auf eine Grundschule im kalten, verschneiten Colorado, weswegen man sie – bis auf seltene Besuche in einem Spaßbad – auch stets in Winterkleidung mit den typischen Pudelmützen und Fäustlingshandschuhen zu sehen bekommt. „South Park“ ist ein fiktiver Ort, eigentlich beschaulich und idyllisch, mit einer kleinen Einkaufsstrasse, einem noch funktionierenden Einzelhandel und einer Mall.

„Everybody needs a good roast“

Die Macher Trey Parker und Matt Stone, die wie die Protagonisten aus ihrer Serie aus Colorado stammen, bedienen in der von ihnen konzipierten Dauertorpedierung der Political Correctness die komplette Klaviatur des schwärzesten, bissigsten Humors, der selbst vor sehr ausgedehnten fäkalhumoristischen Exzessen nicht zurückschreckt. In jeder Folge, die übrigens stets binnen einer einzigen Woche vor der jeweiligen Austrahlung ensteht, nehmen die beiden Macher zu gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Themen und Strömungen der USA Stellung.  Die Beiden leihen auch jedem der Hauptcharaktere ihre Stimme – in jeder Hinsicht. Dabei knöpfen sie sich reihum jede Form der Religion, Glaubensgemeinschaft oder Sekte vor. Christen, Moslems, Asiaten, Juden, Scientologen und „die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ (Mormonen) – Kommunisten, Sozialisten, Ökos, Liberale, Kapitalisten, Naturisten: wirklich alles und jeder kommt vor das politisch unkorrekte „South Park“ Schrotgewehr. Pädophile, Feministen, Homosexuelle, Behinderte, Heteros – Schwarze, Weiße, Rote, Gelbe – quer durch alle Bevölkerungsschichten – Politiker, Unternehmer, Schauspieler, Konzerne – keiner kommt davon. Es gibt wirklich keinen Raum, keine weinerliche Minderheit, keine freche Lobby,  die ausgespart bliebe. Es gibt keine neutrale Schutzzone à la Schweiz, die Trey Parker und Matt Stone unangetastet lassen. Nichts ist noch heilig in einer Zeit, in der jede Minderheit eine Lobby, in der jede sexuelle Vorliebe ein eigenes Regal in der Schmuddelecke der Videothek hat und in der jede Person laustark „ich bin ernsthaft empört!“ rufen kann. Ungerührt greifen sie jede Meinungs-Großmacht an, die sonst jedem anderen ihre perverse Sicht der Dinge vorschreibt.
Parker kommentiert das tiefenentpsannt und doch voller Überzeugung mit „Everybody needs a good roast.“ was in etwa soviel bedeutet wie „Jeder kann es gebrauchen, dass man mal hart mit ihm ins Gericht geht.“

Randy „Over the Top“ Marsh

Eine der Nebenfiguren der Serie, deren Gewichtung mit fortlaufendem Erfolg immer weiter ausgebaut wurde, ist die des Vaters von Stan Marsh: Randy Marsh.

Randall „Randy“ Marsh ist Ehemann, Vater zweier Kinder und verdient seinen Unterhalt und den seiner Familie als Geologe. Das bemerkenswerte an Randy Marsh ist seine so unfassbar große Begeisterungsfähigkeit für neue Trends, Entwicklungen oder Meinungen. Er springt kopfüber in alles neue, sei es auch noch so umstritten, augenscheinlich falsch oder kein bisschen zielführend. In seiner brandbeschleunigenden Mentalität schießt er dabei jedoch mit Sicherheit immer wieder völlig über das Ziel hinaus.
So rennt er grölend am Abend und in der Nacht zur US-Präsidentschaftswahl durch die Straßen, später nur noch mit einem T-Shirt und in Unterhosen bekleidet und brüllt „Obaaaaamaaa, Obaaaaama! Yes, we can! Yes, we can!“ oder stimmt Sprechchöre an wie „You’re so fine, you’re so fine you blow my mind – Hey, Obama!“ und wirft dabei mit anderen Einwohnern randalierend Polizeiautos um.
Nur, um am nächsten Tag, mit einem dicken Kater und erhaltener Kündigung wegen seines Verhaltens, ernüchtert festzustellen: „Oaaaaah, scheiss Obama! Ich hätte McCain wählen sollen!“

Als in der Folge „Margaritaville“ die Wirtschaft einbricht, entsagt Randy sofort jeglichem Kommerz, begibt sich in ein Bettlaken gewandet als Sprecher auf einen Marktplatz und redet zu den Menschen, dass sie keine unnötigen Dinge mehr kaufen und auch auf Elektrizität verzichten sollten – sein Auftritt in Anlehnung an Jesus während seiner Bergpredigt. Dass die Menschen die Wirtschaft nicht länger verspotten sollten. Leichtsinnige Ausgaben auf Pump müssten unbedingt aufhören. „Lasst uns aufhören Fernsehen zu schauen und statt dessen die Wolken betrachten (…) Verringert die Ausgaben auf das Lebensnotwendigste. Nur Wasser und Brot – und Margaritas, yeah.“ Eine überaus sehenswerte Folge, in der die Weltwirtschaftkrise sehr schön abgehandelt und mit glorreichen Zitaten wie „Uuuuund es ist weg.“ den Weg des rasend schnell verinvestierten und vernichteten Geldes zeichnet.

Es kann aber auch vorkommen, dass Randy seine Hoden in der Mikrowelle einklemmt, dabei Hodenkrebs in Kauf nimmt bzw. bewusst herbeiführen möchte, weil er in diesem Fall endlich vollkommen legal Marihuana konsumieren kann – großartigerweise sogar vor einem Polizisten. In der Folge „THC versus KFC“ schwellen Randys Hoden dabei so sehr an, dass er sich nur noch hüpfend auf ihnen vorwärts bewegen kann. In eine Hose passt er mit ihnen sowieso nicht mehr hinein und lässt daraufhin im wahrsten Sinne alle Hüllen fallen. Randys Freunde sind so angetan von dieser Idee, dass sie es ihm gleichtun und fortan gemeinsam mit Randy durch die Innenstadt South Parks hüpfen. Das geht so lange gut, bis Randy aufgrund der gewaltigen Größe seiner Testikel nicht mehr durch die Türe des Drugstores passt – und für breitere Türen demonstrieren muss, da Marihuana außerhalb der Abgabestellen nicht mehr übergeben werden darf.

Bei einem Wettbewerb um das größte Exkrement darf Randy in der Folge „Das große Geschäft“ dann in die Schweiz reisen, um seinen Mordsschiss vor Zeugen des „Europäischen Amts für Fäkaliennormierung und – spezifizierung“ in Zürich abzusetzen, da das Guiness Buch der Rekorde mit Ausscheidungen jeglicher Art definitiv nichts zu tun haben möchte. Diese Folge sollte auf eigene Gefahr und unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung auf Vergessen angeschaut werden. Denn Sie könnten fortan weder U2 ohne Verknüpfung mit der Episode hören oder aber im schlimmsten Fall dazu neigen, unliebsame Personen gedanklich nur noch in „Courics“ abzumessen.

Sie merken, dieser Charakter liebt die Übertreibung und geht gänzlich in ihr auf, kommt jedoch nie in ihr um. Randy Marsh bricht mit atemberaubender Wucht aus den Umzäunungen seines Alltagslebens aus. Die Begeisterung und die Art, nicht im Mindesten den Sinn hinter seinen absurden Handlungen zu hinterfragen, hat beinahe etwas kindlich-unberührtes. Erinnern Sie sich noch daran, wann Sie das letzte Mal etwas komplett Unsinniges mit voller Kraft und mit ganzem Einsatz und Ehrgeiz gemacht haben, ohne auch nur einmal an so etwas albernes wie Konsequenzen, Erfolg oder Misserfolg zu denken. Dass Sie etwas allein deswegen getan haben, eben weil Sie es können.

Seine großartige Leidenschaft macht Randy Marsh zu einem wertvollen Helden aus der Film- und Serienwelt. Und „South Park“ zu einem andauernden Limbotanz mit einer herausfordernd tief hängenden Stange.

Alle Episoden von South Park kann man sich hier ansehen.

Und in Deutschland? Undenkbar. Schließlich kommt die Kritik an der PC von außen – während die deutschen TV-Redaktionsstuben ja die personifizierten Empöristen der Political Correctness sind. Und wenn sie nicht an den Schreibtischen sitzen, dann eben in den Rundfunkräten, wo die letzten verängstigten Konservativen rotgrüner sind als Rotgrün, um nur ja nicht aufzufallen.

Und deshalb empfehlen wir Ihnen hiermit jede Woche eine Sendung, Film oder Serie, aus dem vielfältigen Ausland, denn nichts wirkt befreiender als Lachen – und subversiver.

In der kommenden Woche erfahren Sie daher bei Der Sonntagsheld, was die Waffen der Frauen mit einem arbeitenden Mädchen zu tun hat. Und passen Sie während der Woche auf Ihre Eier auf.

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