Jauch: Vom Talk zur Hypnose

Belanglos, harmlos, streckenweise dumm: Günther Jauchs Talk war so grandios an der Wirklichkeit vorbei, dass der Übergang zur gebührenfinanzierten Hypnose-Show für alle naheliegt.

Nun werden es also 1,5 Millionen Zuwanderer in diesem Jahr, die alle und damit irreführend Flüchtlinge genannt werden. Der Staat hat nicht nur die Kontrolle über seine Außengrenzen aufgegeben: Während Falschparker, GEZ-Nichtzahler und Müll-Nicht-Trenner gnadenlos verfolgt werden, ziehen dreihunderttausend – oder sind es vierhunderttausend? – Zuzügler unkontrolliert durch das Land.

Das Gute dabei ist: Die Deutschen sind ein freundliches Volk. Ich kenne niemanden persönlich, der rassistische oder ausländerfeindliche Sprüche klopft. Die meisten Menschen sind kühl und gehen gelassen mit der Situation um; viele helfen vor Ort. Sie trennen zwischen Menschen, die Hilfe benötigen und erhalten, und einer großen Politik, die die Hilflosigkeit in Person der Kanzlerin ist und ihres schwadronierenden Kanzleramtsministers. Die Menschen bügeln aus, was die Politik zwar nicht anrichtet, aber durch ihr demonstratives Einladungsgehabe und administratives Nichts-Tun schlimmer macht, statt ohne weiteres Zögern einer nachhaltigen Lösung zuzuführen.

In diese seltsame Gemengelage fällt Jauchs Talkshow. Sie mischt Wirklichkeits-Verweigerung mit einer Art Hypnose-Show: Was eigentlich hat ein Musiker, dessen Musik man leiden mag oder mögen kann, was hat einer wie Herbert Grönemeyer zum Flüchtlingsthema zu sagen? Erkennbar nichts. Er plappert, sagt über sich selber in einem seltsamen Anflug von Selbsterkenntnis, dass er jetzt mal Blödsinn rede. Bleibt das Beste, was er zur Sendung beiträgt, dass er nicht singt. Vermutlich ist das Honorar zu niedrig. Denn er ist ja einer dieser besserwisserischen Optimierer. Er lebt steueroptimiert in London; aber rät zu Steuererhöhungen in Deutschland, für Reiche.

Klar, das soll populär klingen und ist doch billigster Humanitäts-Klamauk: Ich bin fein raus; andere zahlen und im übrigen nimmt Großbritannien 20.000 Syrer auf – bis 2017. Der hilflos bramarbasierende Fernsehmoderator Ranga Yogeshwar erzählt dauernd von Hennef, einer Stadt, die bekanntlich der Nabel der Welt ist, weil Ranga Yogeshwar da lebt. Von Apps für Flüchtlinge redet er, und eine süße Security-Dame kennt er, die viel leistet im Flüchtlingsheim, und übrigens wird alles gut, wenn wir erst alle einen Flüchtling kennen. War er schon mal in einer Kirchengemeinde, die gerade ihre Gemeindesäle herrichtet für Flüchtlinge und Sprachkurse gibt, ganz ohne App von Telekom und SAP? Man merkt, dass Politik eben viel schwerer ist als Drittklässler-Physik im Fernsehen zu erklären. Aber er darf „Du, Herbert“ zur „Musikerlegende“ (ARD zu Grönemeyer) sagen. Peinliches Geclique der Selbstgefälligkeit aus Filter-Blase.

Aber sie alle scheinen nicht zu sehen oder wollen sich nicht eingestehen, dass SIE sich dem Druck des Zuzugs entziehen – in ihren feinen Wohnquartieren, in beamtengleich sicheren gebührenfinanzierten Jobs, in den besseren Schulen: Die Gebührenzahler können das meist nicht. Die sind mit ihren Familien, Jobs und Lebensumständen einer brutalen neuen Wirklichkeit ausgeliefert. Nur kurz darf die Sozialamt-Leiterin Michaela Vogelreuther aus Fürth eine Runde kalte Wirklichkeit in die Runde hereinlassen, dann erschöpft sie sich im selbstgefälligen Geplapper.

Beim Politikwissenschaftler Werner Patzelt spürt man die Schizophrenie, die ich selbst gut genug kenne: Da sind die Fakten und die Wirklichkeit – und ein öffentlich-rechtliches Politsystem, das genau das nur feindosiert noch zulässt. Die Ausgrenzer halten schon ihre Knüppel parat; der Professor soll ja an seiner Hochschule nicht mehr gern gesehen sein, weil er schon bei Pegida differenziert hat und jetzt noch in der Flüchtlingsfrage!

„Was macht der da?“, jaulen die Hexenverbrenner in den sozialen Kanälen und der Professor duckt sich neben das selbstgewisse Fleischgebirge der amtlichen Rechthaberei, um dagegen mit ein paar kleinen Zahlen anzustinken; jede zu offenkundige Kritik eingewickelt in Vorsichts-Papier und garniert mit korrekt abgeschmeckter Sättigungsbeilage und entschuldigendem Beipackzettel für die aggressiven Polit-Veganer der grünstaatlichen Jakobiner. Er ist das Feigenblatt in einer Sendung, die man am besten als Hypnose-Show bezeichnen kann: Wir schaffen das, Ooooommmmm, wir schaffen das.

Blöd nur, dass Hypnose meist jäh endet, oft schon nach 45 Minuten. Dumm, dass sich die Welt anders darstellt, je nachdem, ob man Putzfrau ist oder als Millionär oder Moderator darauf zählen darf, demnächst einen unterbezahlten Flüchtlings-Gärtner beschäftigen zu können. Gut, dass es Umschaltknöpfe und Fernbedienungen gibt und den Blick aus dem Fenster. Diese Talk-Show hat Modellcharakter: ARD und ZDF sind unter Druck geraten wegen ihrer beschönigenden, unkritischen, die Fakten verdrängenden Berichterstattung. Statt die zu korrigieren, was sich erkennbar als unmöglich herausstellt, beschreiten sie einen anderen Weg: Hypnose. Das verspricht ihnen mehr Erfolg als gesendete Belehrung auf Volldeppen-Niveau.Viel Erfolg. Nichts liegt so fern wie die Wirklichkeit, wenn man GEZ-Privilegierter oder singender Millionär in London ist. Und doch bricht sich die Wirklichkeit Bahn in einem Witzchen: Wie es ausgeht mit dieser Politik, werde man in 25 Jahren wohl „auf arabisch“ besprechen müssen, kräht Ranga Yogeshwar in die Schlußmoderation. Das werden Viele nicht als Späßchen verstanden haben. Aber „morgen“ heißt arabisch Bukra und kann genau so gut nächstes Jahr bedeuten wie nie.

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