Endlich vereint bei „hart aber fair“: Wagenknecht, Petry und Göring-Eckardt

Guter Jahresbeginn bei Frank Plasberg: Steuerfachfrau Frauke Petry, die schillernde Sahra Wagenknecht von den Linken und als Kirsche auf der Sahne unsere Katrin Göring-Eckardt, einzig legitime Frontfrau der Grünen. Ein Traum-Triumvirat jeder Talkshow!

Screenshot: ARD/hart aber fair

Na, da hat sich Frank Plasberg ja was vorgenommen. „Sicherheit, Steuern, Rente – der Wahlcheck!“ Das Thema Rente kam aber kaum vor, es gab also im Wesentlichen zwei Blöcke, die diskutiert wurden: Steuern und Sicherheit. Oder basischer: Kohle und Migranten.

Gleich vorweg gesagt: das Thema Steuern darf getrost als Aufwärmübung verstanden werden. Fischers Fritze fischt frische Fische. Frische Fische fischt Fischers Fritze. Sie verstehen? Genau, ein wildes Durcheinander, endlose Schachtelsätze, weil die Unterbrechungsquote geringer war, niemand wollte den schweren Brocken allzu lange auf der Wahrheitszunge balancieren. Doch, Frauke Petry tat’s und war schon nach zwei Sätzen oder so für den Normalbürger in irgendeinem Büro des Finanzministers verschwunden.

Wir können nicht sagen, was wahr oder unwahr war. Das konnten nicht einmal die anderen Diskutanten. Also entweder ist diese Petry ein Genie oder sie hat überhaupt keine Ahnung. Bevor wir mal reinhören kurz noch zu den weiteren Gästen: Wir haben das Wahljahr 2017. Das verspricht auf jeden Fall einmal Bestbesetzungen. Und besser hätte Plasberg kaum starten können. Wir haben es uns ja schon so lange gewünscht: die große „Weiberrunde“. Aber nie kam sie zustande. Von Quotendame keine Rede.

Wagenknecht, Petry und Göring-Eckardt

Das Gegenteil war der Fall. Begrüßt wurde besagte nun auch Steuerfachfrau Frauke Petry, die schillernde Sahra Wagenknecht von den Linken und als Kirsche auf der Sahne unsere Katrin Göring-Eckardt, die einzig legitime Frontfrau der Grünen. Ein tolles Traum-Triumvirat für jede öffentlich-rechtliche Talkshow! Und alle drei saßen dann auch noch einträchtig nebeneinander aufgereiht. Ach nein, da saß noch eine vierte Lady! Jung, agil, frech und aufgeregt: Die gejüngte alte Dame FDP in Gestalt ihres Bundesvorsitzenden Christian Lindner.

Der Hauptmann der Reserve und ehemalige Einsatztagebuchführer beim Luftwaffenführungskommando in Köln-Wahn hat einen neuen Trick drauf: Er startet 2017 solche Sendungen schon mit geröteten Augen, mit viel Wut im Blick; einer Wut, die wohl die Dringlichkeit seines Anliegens noch einmal betonen soll, so wie Kinder im Kassenbereich nach den Schokoladenriegeln plärren: Wir wollen wieder Bundestag! Bundestag, Bundestag!

Nur drei, vier Jährchen früher in Friedrichroda geboren hätte Katrin Göring-Eckart theoretisch die strenge Mutter dieser aufgeregten Jungzitrone sein können. Jedenfalls saß sie den ganzen Abend mit Bittermiene da, als wäre sie es tatsächlich. Ja, und dann waren da noch – lassen Sie uns hier ruhig dieses ausgelatschte Klischee benutzen – Statler und Waldorf von der GroKo. Es gibt dort ja eine ganze Reihe dieser Show-Zwillinge: dieses Mal saßen Volker Kauder und Thomas Oppermann in der Loge der ARD.

Kauder, Oppermann und Lindner

Schade, denn wenn man schon mal drei solche Klassefrauen zusammen hat, hätte man auf die Anzugdekoration gerne verzichten können. Und man sah es allen anderen Teilnehmern an: Man hätte gerne auf Christian Lindner verzichten wollen. Diese personifizierte Aufgeregtheit hat so etwas unangenehm Partizipierendes: Dabei ist der Gute doch ein Reichstagsflüchtling seit 2011.

Schönes neues Instrument bei Plasberg: Vor jedem neuen Themenblock darf jeder Diskutant 20 Sekunden ein Statement abgeben. Nicht länger! Die Uhr wird über die Köpfe hinweg eingeblendet. Lindner zum Thema Steuern: „Die Balance von Bürger und Staat ist aus dem Lot geraten! Also Soli abschaffen und die Mitte der Gesellschaft entlasten.“ Na, da sagt er was.

Frau Petry möchte die entlasten, die am meisten belastet sind. „Das sind …“, na klar, „die Familien!“ Die AfD ist ja die Familienpartei möchte man dazu schmunzeln. Ansonsten gehöre für Frau Petry die kalte Progression abgeschafft.

Kollege Oppermann will kein Geld ans undankbare Volk verteilen und sagt: „Wir wollen keine Steuerreform mit der Gießkanne.“ Die reche Hand vollzieht dazu eine schwungvolle Gießbewegung – toll! Und Recht hat er, denn einen Profi-Gärtner haben wir ja mit Jakob Augstein schon bei den Medien, einen weiteren braucht es nicht.

Und jetzt lassen Sie mich was echt Böses sagen. Man schaut ja mehr, als dass man hinhört. Die Worte laufen einfach so durch einen hindurch, und ausgefiltert wird, was noch ungesagt in den einhundert vergangenen Talkshows, also nicht immer besonders viel, wenn man auf Goldwaschmodus geschaltet hat. Dann bleibt viel Zeit für den emotionalen, den visuellen Filter.

Petry und Wagenknecht – über alle Schranken hinweg?

Und da sitzt dann diese Katrin Göring-Eckardt zwischen (Lindner mal weggedacht) Wagenknecht und Petry und es sieht tatsächlich irgendwie stutenbissig aus. Wäre das eine private Proseccorunde am Nachmittag, dann ahnt man instinktiv, dass sich die jungen Damen irgendwann davon stehlen, noch mal auf Achse gehen, was reißen wollen, während die dritte im Bunde zum fünften Rad wurde. Ja, Petry und Wagenknecht – ganz über alle politischen Schranken hinweg, die passen ganz augenscheinlich auch menschlich gut zusammen. Da geht was. Aber diese Konstellation ist 2017 noch einmal utopischer als eine Regierungsbeteiligung der FDP sowieso schon.

„Der Staat schwimmt im Geld und bei den Bürgern wird’s knapper!“ stichelt Lindner Richtung Oppermann und der wischt sich verstohlen die verspritzte Zitronensäure aus dem Augenwinkel, ach ne, war nur eine Lachträne Richtung Kauder, denn beide wissen auch, wo es ebenfalls knapper geworden ist: die FDP sitzt nicht mehr am Honigtopf.

Aber lassen wir den ganzen Steuerblock mal weg und steigen direkt ein, oder Stopp, Plasberg möchte noch in einem Satz erklärt haben, was denn nun eigentlich kalte Progression sei. Er hat wohl selbst gemerkt, wie da mit Begriffen herumgeschleudert wird, direkt am Zuschauer vorbei. Und bevor sich jemand gemeldet hat, geht Lindner schon dazwischen: „Staatlicher Lohnklau!“, das gefällt Frauke Petry, die freut sich richtig. Und das ist dann wieder symbolisch für diese besondere Nähe der beiden Parteien. Da ist diese abgesemmelte Bernd-Lucke-DNA wieder spürbar.

Ja, die Partei der schlechter Verdienenden ist und bleibt die LINKE. So sehr Frauke Petry die Familie in den Mittelpunkt ihres politischen Wollens rückt, so sehr wir ihr dieses Alleinstellungsmerkmal gönnen, so wenig will die AfD Partei der allumfassenden sozialen Gerechtigkeit sein. Man hat seine Klientel und die bedient man perfekt.

„Was mich besonders wundert ist, dass die beiden Herren von der großen Koalition hier in so’nem Wenn-dann-Modus sind, wer regiert denn das Land?“ fragt dann noch Katrin Göring–Eckardt und hat damit sicher Recht, vergisst aber die eigene Regierungsbeteiligung – wohl einfach zu lange her. Vergisst also, dass Regieren dann doch noch mal was anderes ist, als um Wähler werben in so einer einstündigen Sendung, die, nimmt man den Moderator mal mit hinein, rein rechnerisch für jeden gerade einmal zehn, vielleicht fünfzehn echte Sprechzeitminuten parat hält.

Plasberg: „Da passiert was heute Abend, es britzelt!“

Aber weil es so kompakt und erstaunlich unwidersprochen blieb am Ende des Steuer-Blocks, noch mal Frauke Petry am ganzen Stück und in Richtung Volker Kauder, der gerade so stolz von der hohen finanziellen Unterstützung der Kommunen sprach:

„Den Kommunen haben Sie Geld gegeben und Sie wussten auch ganz genau warum, weil Sie ihnen auch seit spätestens 2014/15 unglaubliche Lasten aufgebürdet haben, die Sie nicht mehr tragen konnten. Also jetzt so zu tun, als hätten sie ihnen Wohltaten verabreicht, die den Bürgern, den Kindern, den Jugendlichen, den Alten zugute kommt – es sind doch die Migrationskosten, die vor allem in den Kommunen aufschlagen. Und wenn Sie alle jetzt versuchen, bei den Steuern sich ein schönes Anlitz zu geben, dann müssen Sie gleichzeitig sagen, dass die Abgaben, dass die Kosten der Sozialversicherung weiter steigen. Und den Bürgern ist es am Ende egal, das wissen sie ganz genau, ob da Steuer, Lohnsteuer, Kranken- oder Rentenversicherung drüber steht, am Ende geht es vom Bruttoeinkommen ab, das ist nicht gestiegen.“

Und damit wären wir dann beim eigentlichen Block des Abends angelangt. Wieder hat jeder Teilnehmer zwanzig Sekunden Zeit, es geht, Sie ahnen es, um die Kanzlerin, um persönliche Schuld und Sühneleistung um Unschuldsvermutungen und Schaffenskraft oder eben keine.

„Da passiert was heute Abend, es britzelt!“, freut sich Frank Plasberg. Na ja. Noch wurde Frau Petry nicht zur Wespenkönigin unter den fleissigen drei Arbeiterinnen und der großkoalitionäre Zuckerkuchen liegt noch nicht in der Auslage. Schauen wir mal noch ein paar Minütchen weiter.

Sahra Wagenknecht wiederholt gerne ihren Vorwurf an die Kanzlerin, dass deren Mitschuld an den Morden in Berlin eben auch darauf basieren würde, dass sie mit Regimen wie Saudi-Arabien und der Türkei kooperiert, die solche Gruppen (wie den IS) ja massiv stärken.

„Mir tut es weh, dass die Politik ihrer Regierung zu solchen Zuständen in Deutschland führt“, richtet Frauke Petry das Wort erstaunlich emotional, fast schon Katrin-Göring-Eckardt–mäßig, an Volker Kauder.

Na ja, und dann gibt es die erwartbare große anhaltende Aufregung, wie es sie ja immer gibt, wenn’s wirklich mal substantiell zu werden droht. Und nichts ist mit all den guten Vorsätzen, die man auf so vielen politischen Veranstaltungen gehört hat, dass man sich vorgenommen hätte, sachlich miteinander umgehen zu wollen usw.
Wagenknecht nennt, was Kauder über sie sagt, plump, dumm und diffamierend. Der schweigt sich aus, was soll er auch sagen.

Katrin Göring Eckardt braucht dann noch minutenlang um ihren neu konstruierten, wahlkampffreundlicheren Willen zur Abschiebung irgendwie grün zu verpacken und an ihren früheren Aussagen vorbei zu schmuggeln. Dann gibt es wieder viel Geschrei und Frank Plasberg gibt an Ingo Zamperoni zu den Tagesthemen weiter, an einen Besitzer der doppelten Staatsbürgerschaft. Und das wäre dann wieder so ein Thema für die nächste Sendung und dann beginnt der charmante Deutsch-Italiener seine Nachrichten und muss angenehmerweise nicht einmal fürchten, dass ihm einer dazwischen redet. Was für ein Privileg eigentlich.

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