Ramelow und Seehofer gemeinsam für Flüchtlings-Soli

Viele Medien messen wieder einmal mit zweierlei Maß.

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CSU-Chef Horst Seehofer ist dafür bekannt, dass er seine Meinung auch mal ändert. Manchmal geht das ganz schnell. Im Frühjahr forderte er noch energisch, den Solidaritätsbeitrag zum „Aufbau Ost“ von 2020 an auslaufen zu lassen – wie das einst beschlossen worden war. Jetzt will er ihn beibehalten – zur Finanzierung der durch den Zustrom von Flüchtlingen verursachten Kosten.

Denselben Vorschlag hatte vor knapp einem Monat der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei gemacht. Er sprach sich für den Erhalt des Solidaritätszuschlags über 2019 hinaus und die Erweiterung der Abgabe zu einem „Integrationssoli“ aus. Ramelow begründete das mit der den „unvermindert hohen Flüchtlingszahlen“. Seehofer sagte jetzt, ohne Begrenzung der Zuwanderung werde „eine Reduzierung der Einnahmen kaum möglich sein“.

Wenn zwei dasselbe sagen, ist das aber noch lange nicht dasselbe. Ramelows Vorstoß war im rot-rot-grünen Lager mit wohlwollendem Verständnis kommentiert worden. Über Seehofer dagegen brach ein „Shitstorm“ aus. Von Ramelows Genossen wurde dem CSU-Mann „Populismus“ vorgeworfen, von den Grünen, er vergifte das Klima, von der SPD, er schüre Ressentiments gegen Zuwanderer. So ist das eben, wenn der Falsche das Richtige sagt.

Dabei liegen Ramelow und Seehofer auf einer Linie: Sie brechen ein Tabu. Das Tabu nämlich, im Zusammenhang mit der Aufnahme und Integration von einer Million Menschen im Jahr auch von den Kosten zu sprechen. Hier geht es nicht um Peanuts. Schätzungen reichen von 12,5 bis 21 Milliarden im Jahr, Summen, die sich eben nicht aus der Portokasse bezahlen lassen. Aber auf die viel gerühmte „Willkommenskultur“ soll und darf wohl nicht der Schatten des Pekuniären fallen. Deshalb tut die Große Koalition so, als schwimme der Staat im Geld. Und die Grünen sind bei dieser Finanzierungs-Gaukelei voll dabei.

Da machen Seehofer und Ramelow nicht mit – aber aus ganz unterschiedlichen Gründen. Für den Sozialisten sind Steuererhöhungen per se etwas Gutes. Um den „Reichen“ viel Geld abzunehmen, fällt Ramelow und Genossen immer eine Begründung ein. Da kommen die Flüchtlinge gerade recht: Umverteilung im Zeichen der Humanität. So schön kann Sozialismus sein.

Bei Seehofer ist es dagegen anders: Er schwelgt nicht in der Vorstellung möglichst hoher Steuereinnahmen, sondern er warnt vor den finanziellen Folgen eines unverminderten Zuzugs von Menschen aus fremden Ländern. Sein Ruf, die Steuerlast nach Auslaufen des „Soli“ nicht zu senken, ist ein Warnruf: Wenn wir die Zahlen der Flüchtlinge nicht deutlich reduzieren, werden die Bürger das im Geldbeutel spüren. Seehofers Botschaft: Wer nein zu „Obergrenzen“ sagt, muss ja zum „Flüchtlings-Soli“ sagen.

Wie immer man zur deutschen Flüchtlingspolitik stehen mag: Sie kostet im Jahr zweistellige Milliarden-Beträge. Diese Rechnung muss von den Bürgern bezahlt werden. Daran haben Seehofer und Ramelow jetzt erinnert – wenn auch aus völlig unterschiedlichen Motiven. Jedenfalls scheint beiden bekannt zu sein, dass der Staat eben keine Kuh ist, die im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken wird – eine für große Teile der politischen wie publizistischen Klasse offenbar ganz neue Erkenntnis.

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