Flüchtlingskrise: Das Doppelspiel der SPD

Alle schauen fasziniert auf die Streitereien in der Union - das erleichtert der SPD ein Doppelspiel: Die Flüchtlingskrise zu beklagen und gleichzeitig jede Reform zu blockieren.

War Horst Seehofer wirklich böse zu Angela Merkel? Wurde Innenminister Thomas de Maizière wieder gerüffelt, weil er von der Kanzlerinnenlinie abweicht und es gar nicht gemerkt hat? Jeden Tag lesen wir von Krach innerhalb der Union über die Flüchltingskrise. Zu Recht, mit Ruhm hat sich die Union nicht bekleckert. Aber es gibt noch einen Partner in der Großen Koalition. Die SPD. Die hat es bisher geschafft, unbemerkt durchzukommen. Sie ist der buchstäblich lachende Dritte beim Streit der zwei Unionsschwestern.

Die Blockade der SPD

Dabei ist es die SPD, die das Asylpaket zum Scheitern gebracht hat. Es wurde auf Drängen der SPD so verwässert, dass es praktisch wirkungslos ist:

Schnellverfahren in den Registrierzentren sollte es geben für Schwindler, die „eindeutig falsche oder offensichtlich unwahrscheinliche“ Angaben machen – abgeschwächt oder gestrichen auf Druck der SPD.

Gefälligkeits-Atteste, mit denen die Abschiebung unterlaufen wird – die SPD kämpft weiter für „posttraumatische Störungen“ als Bleibegrund.

Entschieden bekämpft wird von der SPD die Familienzusammenführung von Minderjährigen. Das ist ein besonders heikler Punkt, weil sich daran zeigt, wie irrational sich das Asylrecht mittlerweile entwickelt hat: Immer mehr Minderjährige werden gezielt vorausgeschickt, um später die Familie nachzuziehen. Junge, heranwachsende Männer werden in die lebensgefährlichen Schlauchboote getrieben und der Todesgefahr ausgesetzt, damit später tatsächliche oder vermeintliche Angehörige den sicheren Weg per Flugzeug antreten können. Wenn sie angekommen sind, stehen diese Jugendlichen unter erheblichem Druck in den Sammellagern –  von ihren Familienangehörigen, die wollen, dass die Jungs die Anerkennung erwirken und ihr Investment in Schlepper-Honorar sich in Form des Familiennachzugs rentiert.

Bislang sollen rund 60.000 minderjährige Flüchtlinge allein in diesem Jahr angekommen sein; Tendenz steigend. Rechnet man fünf Familienmitglieder dazu, dann ist das alleine ein Zuzug in Größe einer Stadt wie Bonn.

Daran zeigt sich, wie ausgefeilt mittlerweile die Kommunikationswege im Flüchtlings-Business geworden sind: jede Rechtsänderung verändert sofort Richtung und Zusammensetzung der Flüchtlingsströme. Und es ist nicht nur die Not, die Menschen auf die gefährliche Fluchtroute zwingt – es sind auch die Anreize, die in Deutschland weiterhin bestehen. Und während die Jugendlichen durchaus gute Prognosen für Integration und Erwerbstätigkeit haben – bei ihren Familienangehörigen sieht dies altersbedingt anders aus; hier erfolgt der Zuzug direkt und ohne langwierige Umwege oder Wartezeiten in Hartz-IV.

Kampf um Worte statt Taten

Beliebt ist in der SPD auch der Kampf um immer neue Begriffe: Wurden zunächst die Transitzentren als Haftanstalten diffamiert, so verlagert sich jetzt der Kampf um die Begriffe auf „Kontingente“. Solange über Wörter gestritten wird, bleiben Entscheidungen in der Sache aus. Das ist wohl das Ziel der SPD-Führung in Berlin.

Vor Ort sieht es anders aus. Immerhin stellt die SPD die meisten Bürgermeister und Kommunalpolitiker. Egal, ob aus Bayern, aus Thüringen, aus dem Ruhrgebiet und selbst aus der Sozi-Diaspora Baden-Württemberg – die Sozialdemokraten vor Ort fordern Maßnahmen, wie die Union sie vorschlägt. Vor Ort kämpfen die Sozialdemokraten mit der Überforderungen durch den sich immer noch weiter steigernden Zuzug und mit den absehbaren Folgen der Nicht-Integration, der Überlastung der Schulen und Sozialsysteme. Ihre Verzweiflung ist fast grenzenlos; aber ein Parteiwechsel kommt nur selten, wie in Magdeburg, in Betracht. In Berlin allerdings ist diese Botschaft noch nicht angekommen. Gelegentlich versteigt sich Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel mal zu einem scharfen Wort. Aber es bliebt folgenlos. Die Riege der Innen- und Rechtspolitiker ist brav auf rot-grünem Kurs. Die Lage in den fernen Provinzen wird geschönt oder verleugnet. Die Hoffnung ruht darauf, die eigene Kientel in den gentrifizierten Edelvierteln wie Hamburg-Eppendorf zu befriedigen, für die Flüchtlinge nur in fernen, prekären Wohnorten vorkommen. In Gründerzeitvillen lebt es sich gut mit Flüchtlingen, die in den Vororten von Lübeck, Hanau, Mannheim, Duisburg oder Nürnberg eingepfercht werden.

Ein zynisches Doppelspiel

Bislang ist die zynische Kalkulation der SPD-Spitze aufgegangen: So lange die Union über den richtigen Kurs in der Flüchtlingspolitik streitet, ist sie fein raus und kann ohne Rücksicht auf die Folgen Gefälligkeitspolitik in jede Richtung betreiben: So kann sie augenzwinkernd den ungebremsten Flüchtlingszustrom weiter aufrechterhalten, um ihren Gutmenschen ein gutes Gewissen zu Lasten anderer Gruppen zu organisieren und gleichzeitig vor Ort mit dem Finger auf die Union deuten, die keine Lösung des Flüchtlingsproblems zu Stande bringt. Merkel ist die beste Kanzlerin, die die SPD je hatte und wenn Merkel Stimmen verliert, dann steigt der Preis (und die Anzahl der Dienstautos) die die SPD in der nächsten Groko kassieren kann.

Die Union allerdings ist so mit Haltungsnoten für Seehofer beschäftigt, dass sie dies gar nicht bemerkt, geschweige denn thematisiert. Allerdings eint alle Parteien der Großen Koalition eine gemeinsame Lebenslüge: Nach dem geltenden Recht, dem schon 20 Jahre alten Asylkompromiss, ist praktisch ohnehin kaum ein sogenannter Flüchtling asylberechtigt – danach gilt die Dritt-Staaten-Regelung: Wer aus Österreich einreist, einem Land ohne Verfolgung, hat ohnehin kein Anrecht auf Asyl.

Aber es ist für alle Beteiligten leichter, über neue Maßnahmen zu streiten und sich damit zu profilieren, als geltendem Recht zur Wirkung zu verhelfen.

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