Notwehr: Eine Amtsrichterin sieht rot?

Das uralte Recht der Notwehr oder der Nothilfe zu Gunsten eines Dritten wurde im Amtsgericht Ludwigsburg zusammengeschlagen. Ein Nothelfer, der einen schwerletzten Menschen vor einer fünfköpfigen alkoholisierten Gruppe rettete, wurde zum Täter gemacht. Vorbestraft, weil er mit seinen fünf Gegnern nicht sanft genug umgegangen wäre.

Ein 22-jähriger Mann aus Ludwigsburg bewahrt einen bereits schwer verletzt am Boden liegenden Menschen vor den weiteren Misshandlungen einer fünfköpfigen angetrunkenen Schlägertruppe. Die Rettung gelingt, die Täter lassen von ihrem Opfer ab. Das Opfer lebt. Bei der altruistischen und mutigen Rettungsmaßnahme erleidet einer aus der Tätergruppe, der nur zugeschaut haben will, einen Kieferbruch. Die Staatsanwaltschaft beantragte Freispruch. Das Amtsgericht Ludwigsburg verurteilt den Nothelfer. Das Amtsrichterin aus Ludwigsburg erkennt auf Körperverletzung: Der Nothelfer hätte mit seinen fünf Gegnern sanfter umgehen müssen. Vorstrafe für den Helfer.

Nothilfe, also Notwehr zu Gunsten eines Dritten lohnt sich in Deutschland nicht. Klar, Notwehr und Nothilfe sind erste Bürgerpflicht. Das leiern Gauck, Merkel und Maas gebetsmühlenartig vor sich hin, wenn ein Mensch in aller Öffentlichkeit von anderen Menschen zu Tode geprügelt oder schwer verletzt wird.

Aber die Täter, die auf einen Menschen einprügeln oder -treten oder mit Gegenständen auf sie einschlagen, soll bitte schön niemand, so einige durchgeknallte Teile der deutschen Justiz, gar so sehr von ihrer Tat oder gar einer irrreversiblen „erfolgreichen“ Beendigung ihrer Tat abhalten.

Mehrere angetrunkene, gruppendynamisiert handelnde Schläger hauen einen Mann um und treten auf den schwer verletzt am Boden Liegenden ein. Gruppendynamisiertes Handeln ist nicht so ohne Weiteres steuerbar, gerät außer Kontrolle, Alkohol tut ein Übriges und all dem haben schon uralte Gesetzgeber Rechnung getragen. Die waren ja nicht doof.

Jetzt kommt der zivilcouragierte Nothelfer, einer gegen fünf und rettet das Opfer, vielleicht rettet der Helfer dem Opfer sogar das Leben. Der Nothelfer schlägt die feigen Schläger, die zu fünft ein Opfer auserkoren hatten und es schwer verletzt hatten, in die Flucht, in dem er einem Mittäter auch so einen Schlag versetzt, dass dieser einen Kieferbruch erleidet. Also: Rettung geglückt, das Opfer vor weiteren Schäden bewahrt und die Täter in die Flucht geschlagen.

Heldenmut, Bundesverdienstkreuz? Nein, Anklage gegen den Helfer wegen Körperverletzung,

gar schwerer Körperverletzung (Kieferbruch), dann Untersuchungshaft und schließlich Verurteilung des Helfers wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Die Staatsanwaltschaft hatte Freispruch beantragt, die Verteidigung des Opfers sowieso. Die Beweislage sprach für den Nothelfer. Nur die Richterin, die schon Untersuchungshaft angeordnet hatte, verurteilte den mutigen Nothelfer. Ein furchtbares Urteil.

Derjenige mit dem Kieferbruch, der wahrscheinlich jetzt auch noch Schadenersatz einklagen will, tat sich mit der Behauptung hervor, er selber hätte gar nicht auf das Opfer seiner Tätergruppe, der er angehörte, eingeschlagen, sondern nur so unschuldig danebengestanden.

Die Verteidigung des jetzt vorbestraften Nothelfers kündigte Berufung an. Man ist erleichtert.

Eine Gruppe von Tätern dieser Art, die sich wahllos ein Opfer sucht, hat sich nach aller Lebenserfahrung nicht erstmalig und spontan von einer netten Boygroup in eine Gruppe von Schlägern verwandelt, sondern hat bereits in der Vergangenheit eine längere Eskalationsphase durchlaufen. Kein rechtstreuer Mensch in einer Gruppe von lauter rechtstreuen Menschen entschließt sich dann in der gesamten Gruppe plötzlich ganz spontan einen wildfremden Menschen in Lebensgefahr zu prügeln.

Wenn ein Gruppenmitglied durch seine Anwesenheit die anderen Mitglieder gruppendynamisch anheizt, dann ist er Mittäter, weil er eine Garantenstellung hat. Seine unterlassene Hilfeleistung wird zum positiven Mittun. Mindestens unterlassene Hilfeleistung scheint sehr wahrscheinlich.

Wie hilft man dem am Boden liegenden, schon schwer Verletzten, auf den eine Gruppe weiter eintritt?

Wie wehrt sich einer gegen fünf tatkräftige aggressive, gemeinschaftlich handelnde Schläger? Vor dieser Frage stand die gute Richtersfrau.

Nein, sie stand nicht in der Realität vor dieser Frage, wie sie selber höchst persönlich gegen die andauernde Tat von fünf Schlägern etwas unternommen hätte. Nein, sie stand vor dieser Frage als Beurteilerin des Nothelfers, den sie jetzt vorbestraft hat. Der hätte die Notwehrlage ausgenutzt und die Grenzen der erlaubten Nothilfe überdehnt.

Dass eine Notwehrsituation nicht missbraucht werden darf, ist ein Selbstgänger. Wer seinen Feind, dem er immer schon den Tod an den Hals wünschte, wegen irgendeiner aggressiven Petitesse den Schuss in die ewigen Jagdgründe gibt, ist selber zum Täter geworden. In einer andauernden schweren Körperverletzung einer Gruppe gegen einen bereits schwer verletzten Menschen, in dem die Tätergruppe psychologisch schon so etwas wie einen „Blutrausch“ erkennen lässt, eröffnet das Notwehrrecht schon einige Handlungsspielräume. Da darf ein Einzelner gegen Fünf zuschlagen und er muss es auch, um sich nämlich selber vorbeugend gegen die gruppendynamisierte Aggression zu schützen und um effektiv Nothilfe leisten zu können.

Bevor eine derartige Überschreitung der gerechtfertigten Nothilfe vorliegt, dass der Nothelfer selber zum Täter wird, müssen die Dinge drastisch liegen. Natürlich gibt es dann auch noch eine weitere Zone der entschuldigten Überschreitung der Notwehr
Auch der Nothelfer ist in einer Ausnahmesituation, er will helfen, er muss schnell helfen und er muss sich sofort selber schützen. Und bei fünf Gegnern muss er auch effektiv vorgehen. Es waren die Schläger, die das ganze Tatgeschehen initiiert haben.

Wer die Katastrophen-Rechtsprechung in Sachen Körperverletzung kennt, weiß, wie Täter von Körperverletzungen von der Justiz geschont werden. Ein Nothelfer hat offenbar größere Chancen in einen Körperverletzer umfunktioniert und verurteilt zu werden. In der Hektik der Nothilfe ist die Folge eines Schlages in Gestalt des hier abgeurteilten Kieferbruches nicht kalkulierbar, nicht antizipierbar.

Der Profiboxer, der Jonny K. am Alexanderplatz ins Jenseits schickte, kam vergleichsweise milde davon, er hatte gar nicht gewusst, dass ein Mensch von ein paar Schlägen überhaupt sterben kann. Aber der Nothelfer hat gewusst, dass sein Schlag den Kiefer des Mitglieds der Schlägergruppe brechen würde? Man wüsste gern, welche sonstigen Umstände in diesem Fall noch eine Rolle spielten, dafür, dass die Richterin ihr Urteil gefällt hat.

Nicht verschwiegen werden soll, dass es besser gewesen wäre, wenn der vom Gericht zum Täter umfunktionierte Nothelfer auf die fünf Täter, die auf ihr bereits schwer verletztes Opfer weiter eintraten, zugegangen wäre und ihnen gesagt hätte, dass es nicht schön ist, was sie tun und dass sie möglichst sofort aufhören sollten. Besser wäre es gewesen, wenn er die Täter zusätzlich um die Nennung ihrer Namen gebeten hätte, damit das Opfer sie anzeigen und Schadenersatz gegen sie einklagen kann. Warum nur hat der Nothelfer diese Variante nicht gewählt? Die Richterin wird’s wissen, aber sie muss es uns noch verraten.

Und welche Strafe erhalten eigentlich nun die Täter, die einen Mann zu Boden geschlagen, schwer verletzt und dann noch weiter auf ihn eingetreten haben?

Eine systematische Parallelüberlegung

Und da es um das Rechtssystem geht, das in sich schlüssig zu sein hat, hier noch eine systematische Parallelüberlegung. Es vergeht kaum ein Tag in diesem unserem schönen Land, um Helmut Kohl aus längst vergangenen Zeiten einmal zu Worte kommen zu lassen, an dem nicht ein Knochen oder oft ganz viele Knochen gebrochen werden und mehr oder weniger Blut fließt, weil sogenannte linke Gewalt, die extra Gewaltstrukturen für diesen Fall vorhält, im Zusammenhang höchst friedlicher Demonstrationen handgreiflich wird. Große Demos der einschlägigen Art sind geradezu ein Synonym für massive, schwerste Körperverletzung und so gut wie keine Festnahme, geschweige denn Anklage oder Verurteilung.

Nun ist natürlich ein vorgeschobenes politisches Motiv viel wertvoller, wenn es links ist, als das Motiv der Rettung von Leib und Leben eines Menschen. Aber Fakt bleibt, dass die regelmäßig hohe Zahl von verletzten Polizisten und anderen Verletzten, die als Kollateralschaden einer total entgleisten Demonstration, die das Demonstrationsrecht überschreitet, regelmäßig von der Strafjustiz heruntergefahren werden. Schließlich darf bei einer richtigen Demonstration gegen den Staat und das Kapital und die Polizei die Sache nicht so zimperlich beurteilt werden. Was bliebe denn vom heiligen Demonstrationsrecht übrig, wenn man nicht auch mal ein paar Körperverletzungsorgien feiern darf, sonst merken doch die bösen Repräsentanten des bösen Systems gar nichts.

Da die linksradikalen Schlägertrupps an die eigentlichen Repräsentanten des Staates, Merkel, Gauck und Co nicht so ohne weiteres herankommen, werden dann eben Polizisten verprügelt, die anschließend von den Oberen des Staates oft auch noch gemaßregelt und von der Justiz im Stich gelassen werden. Es scheint also unterschiedliche Bewertungen von gebrochenen Kiefern zu geben. Und das darf nicht sein.

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