180-Grad-Wende: Weltgesundheitsorganisation will keine Lockdowns mehr

Ein Sondergesandter der WHO fordert Regierungen auf, nicht mehr mit drastischen Schließungen gegen Covid-19 vorzugehen. Die weltweiten Folgen für die Armen seien zu gravierend. Noch im Juli war aus der Organisation ganz anderes zu hören.

imago images / Fotoarena

Das Corona-Jahr wird auch als ein Jahr drastischer Kehrtwenden in die Politikgeschichte eingehen. Galt die Warnung vor dem Virus noch zu Jahresanfang als Panikmache (und damit als tendenziell rechts), ist es nun umgekehrt. Während deutsche Politiker und Virologen noch im Frühjahr Mund-Nasen-Masken als unzweckmäßig zur Eindämmung der Pandemie ansahen, muss derjenige, der keine trägt, längst mit einer Ordnungsstrafe rechnen.

Am Sonntag kam nun die nächste große Kehrtwende: Ausgerechnet die Weltgesundheitsorganisation WHO lehnt nun den „Lockdown“, also das staatlich angeordnete Einstellen wirtschaflticher Aktivitäten, ab. Und zwar nicht etwa aus unmittelbar medizinischen Gründen, sondern wegen der „ökonomischen Konsequenzen“. 

Ein Überblick
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Noch im Juli hatte die WHO an die Wand gemalt, dass Staaten womöglich wieder in einen erneuten Lockdown müssten, um eine „zweite Welle“ zu verhindern oder abzubremsen. Damals hatte die WHO auch mehrfach vor allzu schnellen Lockerungen gewarnt.

„Wir in der Weltgesundheitsorganisation befürworten nicht Lockdowns als erstes Mittel zur Kontrolle dieses Virus“, sagte einer der Sondergesandten der WHO für Corona-Fragen, der Brite David Nabarro, vor Gesundheitspolitikern und Journalisten am Sonntag. „Die einzige Gelegenheit, zu der wir einen Lockdown für gerechtfertigt halten, ist, um Zeit zu kaufen für die Neuorganisation und Neuanpassung der Mittel und zum Schutz der Mitarbeiter des Gesundheitswesens, aber im Großen und Ganzen würden wir das eher nicht tun.“ 

Denn Lockdowns hätten eine Folge, die man nie kleinreden dürfe, sie machten  „arme Leute noch sehr viel armer“. Und das betreffe auch Länder, die nicht unmittelbar selbst einen Lockdown beschlossen hätten: „Schauen Sie sich nur an, was mit der Torurismuswirtschaft in der Karibik oder im Pazifik passiert ist, weil die Leute nicht mehr in Urlaub fahren.“ Vermutlich werde sich die weltweite Armut und die Unterernährung von Kindern bis zum nächsten Jahr verdoppeln. „Deswegen appellieren wir an die Politiker der Welt: Hören Sie auf, Lockdowns als erste Methode zur Eindämmung zu nutzen. Entwickeln Sie dafür bessere Systeme. Arbeiten Sie zusammen und lernen Sie voneinander.“

In einem Gespräch mit dem Magazin The Spectator nannte Nabarro dies den „mittleren Weg“, also „das Virus in Schach halten und gleichzeitig das ökonomische und soziale Leben in Gang zu halten“. 

Nabarro hatte schon im September vor britischen Parlamentariern gewarnt, dass die Corona-Pandemie global betrachtet werden müsse, weil sie die Armut deutlich befördern könne.

Anfang der vergangenen Woche hatten sich in ähnlicher Weise auch eine Reihe von amerikanischen und britischen Medizinern geäußert, die in der „Great Barrington-Erklärung“  kritisieren, dass die Abriegelungen „irreparablen Schaden“ anrichten. „Als Epidemiologen für Infektionskrankheiten und Wissenschaftler im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens haben wir große Bedenken hinsichtlich der schädlichen Auswirkungen der vorherrschenden COVID-19-Politik auf die physische und psychische Gesundheit und empfehlen einen Ansatz, den wir Focused Protection nennen“, heißt es in der Petition. Und weiter: „Die Beibehaltung dieser Maßnahmen bis ein Impfstoff zur Verfügung steht, wird irreparablen Schaden verursachen, wobei die Unterprivilegierten unverhältnismäßig stark betroffen sind.“ Sie wurde von mehr als 7.000 Wissenschaftlern und über 17.000 Ärzten unterzeichnet.

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Kommentare ( 89 )

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Michael41
3 Jahre her

Diese Lockdowns sind weltweit eine absolute Katastrophe, in Indien ging alles seinen Weg bis die Lockdowns kamen dann ist alles zusammengebrochen, viele der 100 tausend Toten Indiens entstanden erst durch den Lockdown. Ein Land kann sich doch nicht einseitig auf eine einzelne Krankheit konzentrieren, was ist denn mit all den anderen Krankheiten haben die keinen Wert, Herzerkrankungen pro Jahr 250 tausend Tote, Krebs 220 tausend Tote, jeden Tag sterben mehre Millionen Menschen weltweit, die Armen in den Entwicklungsländern haben bisher wenigstens vom Tourismus brauchbar gelebt das bricht alles weg. Hört auf zu testen, hört auf diese Panik zu betreiben, durch… Mehr

Dorothe
3 Jahre her

WHO vertrauenswürdig? Eher nicht. Die Bürgerlein sollen wohl etwas besänftigt werden. Ablenken von dem was ist und noch kommen wird. In Afrika werden wieder mehr mehr Menschen verhungern ( Lieferketten Problem ), weltweit sterben wahrscheinlich mehr Menschen durch die Corona-Maßnahmen ( z. B. 40 % mehr Tode durch Herzinfarkt, da sich die Menschen nicht in die Krankenhäuser trauten ) als durch SARS-Cov 2, weltweit verarmen Menschen durch die Stilllegung der Wirtschaft, weltweit wird eine Destabilisierung ( ANTIFA-Terrorristen, neomarxistische BLM, Defund the Police …..) orchestriert, die Spaltung,Hass und Terror erzeugen soll. Und hier in DE „haben wir Platz“……..Ich zweifle so allmählich… Mehr

Wolodja P.
3 Jahre her

>> Die Beibehaltung dieser Maßnahmen bis ein Impfstoff zur Verfügung steht, … << ist nicht das, was in der Barrington-Erklärung gefordert wird, sondern genau das, was der GröPaZ vorschwebt und ohne Rücksicht auf die Folgen – allerdings nicht fokussiert, sondern – gegen jedermann durchgedrückt wird. Die in der Petition empfohlenen "fokussierten Maßnahmen" sollen sich, grob gesagt, allein auf den angemessenen Schutz der besonders gefährdeten Altersgruppen richten und die übrige Bevölkerung unbehelligt lassen. Denn um die Wirkung des menschlichen Immunisystems wissen die Verfasser der Petition als kompetente Fachleute durchaus Bescheid unf bringen dies auch, zumindedt indirekt, zum Ausdruck.

Hannibal ante portas
3 Jahre her

Schon vor Monaten habe ich hier im Forum dies so ähnlich formuliert: „eines Tages wird sich herausstellen, dass wir eigentlich alles menschenmögliche hätten versuchen müssen, einen wirtschaftlichen Lockdown zu verhindern, weil die globalen Folgen gerade in den armen Ländern nicht nur auf deren ökonomischen Grundlagen sondern sofort auch die Gesundheitslage existenziell trifft.“ Wer in der dritten Welt als armer Mensch kein eigenes Geld verdienen kann, der hungert.

Onan der Barbar
3 Jahre her
Antworten an  Hannibal ante portas

Wer in der dritten Welt als armer Mensch kein eigenes Geld verdienen kann, der geht nach Deutschland.

Hannibal ante portas
3 Jahre her
Antworten an  Onan der Barbar

Auch, fairerweise muss man aber sagen, dass die ganz Armen es eher nicht bis DE schaffen.

caesar4441
3 Jahre her

Da frägt man sich : „Ist die Große Transformation schon erledigt ?

Onan der Barbar
3 Jahre her
Antworten an  caesar4441

Erledigt noch nicht, aber die Entwicklung hat den „point of no return“ überschritten.

Rachel
3 Jahre her

Vor allem werden viele nicht den Winter überstehen, nachdem sie ihre Reserven im Lockdown verbraucht haben. Hier ist es kalt, und alle Restaurants und Kneipen sind komplett leer. Viele haben sich für mehrere tausend Euro so ein Vorzelt gekauft, aber da drin ist es eben auch kalt, dadurch wird das kaum genutzt. Es ist wirklich deprimierend.

Lizzard04
3 Jahre her

Fragt sich nur, ob davon auch was im politischen Berlin ankommt. Aber vermutlich nicht, denn dort entscheidet man sich ja regelmäßig völlig sinnfrei für das, was den jeweils größtmöglichen sozialen und ökonomischen Schaden verursacht. Heute morgen schon wieder dieser sogenannte Kanzleramtsminister Braun, der weitere „Verschärfungen“ als notwendig betrachtet. Es ist zum Verzweifeln mit diesen Leuten! Dabei sind die Zahlen, auf deren Grundlage hier immer weiter das öffentliche Leben eingeschränkt wird, ohne jede Aussagekraft. Das Einzige was zählt ist die Mortality-Rate und die ist absolut im Keller. P. S. Das RKI hat sich für mich in der Corona Angelegenheit bis auf… Mehr

Rachel
3 Jahre her

Aus den 10 Jahren können auch locker Jahrzehnte werden …… An einem Impfstoff gegen das HIV-Virus forscht man seit 40 Jahren, ergebnislos.
Ich staune wirklich über die Chuzpe, mit der das baldige Vorliegen eines Impfstoffs herbei geschwafelt werden soll….

blackhero68
3 Jahre her

Was ist denn nun los? Allerorten 180, wahrscheinlich schon 540 Grad Wendungen. Erstmals im Staatsfunk eine alternative Sichtweise der Zahlen und Daten – waren das nicht vor zwei Wochen noch Spinner, Aluhutträger und Covidioten? Nun die sagenhafte Erkenntnis der WHO, dass vermindertes wirtschaften zu weniger Wachstum führt – wow, kapiert schon ein Zweitklässler mit ADS in der Fünfminutenpause – die Trottel der Dreibuchstabenorganisation immerhin nach einem halben Jahr. Also Lockdowns sind schädlich – die Erkenntnis nach daher unnötig in den Sand gesetzten Milliardenbeträgen. Nach einem halben Jahr auch mal Mediziner und Ärzte, die den Quatsch hinterfragen – haben weltbekannte Persönlichkeiten… Mehr

John Sheridan
3 Jahre her

Der entscheidende Satz: „Entwickeln Sie dafür bessere Systeme“ lässt auf etwas anderes schliessen. Man kann daher eher auf Impfausweis, „Chippung“ oder ähnliches tippen. So lässt sich das „Fussvolk“ besser überwachen und mit einem Punktesystem kommt dann eben nicht mehr jeder in die Karibik.