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Brexit: Cameron ist der wahre Europäer

Vielfalt statt Einheits-Block

THEMA:
Die EU in der Sinnkrise: Aus guten Nachbarn wurden Schuldner und Gläubiger, die sich gegenseitig mißtrauen und erpressen, oder wie in der Flüchtlingskrise brutal dem Nachbarn die Verantwortung zuschieben. David Camerons Reformvorschläge können Europa retten.

David Cameron ist ein wahrer Europäer. Mit seiner Rede beim renommierten Londoner Think Tank „Chatham House“ über seine Vorschläge für eine Reform der Europäischen Union hat er an das appelliert, was Europa stark gemacht hat – seine Vielfalt. „Vor allem muss Europa flexibel wie ein Netzwerk operieren, nicht starr wie ein Block. Vielfalt ist Europas größte Stärke,“ so der britische Premier. So spricht kein Nationalist, der neue Grenzen aufbauen will. So spricht ein europäischer Realist, der eine evolutorische Zusammenarbeit in Europa anstrebt, der aber die demokratische Legitimation nicht permanent durch einen zersetzenden Pragmatismus aushebelt.

Netzwerk der Vielfalt

Er spricht sich für einen intensiveren Binnenmarkt aus, für mehr Wettbewerb, für fiskalische Selbstverantwortung, für Bürokratieabbau, Deregulierung und gegen den wachsenden europäischen Zentralismus. Und er stellt ein Dogma infrage – die immer engere Union, die unumkehrbar sei. Er will sich nicht durch die Eurokrise immer weiter in den Schuldensumpf hineinziehen lassen. Diejenigen im Euroraum, die immer neue Institutionen und Abhängigkeiten schaffen, sollen diese auch verantworten.

Es ist nicht nur eine Brexit-Abwehrrede, wie ihm leicht unterstellt werden kann. Er will eine intensivere Zusammenarbeit beim freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital. Er reduziert die EU nicht nur auf das Ökonomische. Auch in Sicherheitsfragen will er stärker kooperieren.

Den Verfall Europas stoppen

Seine Rede kommt zum richtigen Zeitpunkt. Denn die EU steckt in einer tiefen Sinnkrise. In der Eurokrise ist der Verfall der Sitten tagtäglich spürbar. Aus bislang guten Nachbarn werden Schuldner und Gläubiger, die sich gegenseitig mißtrauen, hintergehen und erpressen. In der Flüchtlingskrise scheitert gerade die Idee der Personenfreizügigkeit zwischen souveränen Staaten, weil die deutsche Kanzlerin, ihre Vorstellung in der Asylpolitik allen anderen Staaten in Europa oktroyieren will und die Außengrenzen offen sind wie ein Scheunentor.

Großbritannien ist unendlich wichtig für ein Europa der Vielfalt. Seine große Rechtstradition mit der Magna Charta und der Bill of Rights, seine große Tradition an Freiheitsdenkern wie Adam Smith, John Stuart Mill und Edmund Burke und die Weltoffenheit des Vereinigten Königreichs als Wegbereiter des Freihandels und der Marktwirtschaft ist unersetzlich für ein freiheitliches Europa. Das Ausscheiden der Briten aus der EU würde das Koordinatensystem in Richtung noch stärkerer Umverteilung, Rechtsbeugung und Zentralismus verschieben. Das wäre fatal. Es würde den Bürokraten in Brüssel in die Hände spielen. Es ist schon bezeichnend, dass der Frage des Verbleibs von Griechenland und Zypern eine viel größere Aufmerksamkeit in Brüssel zuteil wird, als dem Verbleib Großbritanniens. Wahrscheinlich wären viele in der EU-Kommission froh, wenn die ewigen Querulanten aus London endlich gingen. Doch das sollte uns mißtrauisch machen.

Freizügigkeit: Die Achillesferse der EU

Diese Kreise wollen ein anderes Europa. Sie wollen den europäischen Superstaat durch die kalte Küche erzwingen, ohne dafür demokratisch legitimiert zu sein. Die Eurokrise ist das beste Beispiel. Ein lokales Problem wird zentral gelöst, ohne dafür substanziell die Vertragsgrundlagen zu ändern. Das Recht wird geschoben und gebogen bis es zur Unkenntlichkeit entstellt ist.

Die Personenfreizügigkeit ist die Archillesferse der Cameronschen Rede. Diese will er für neue EU-Mitglieder aussetzen, bis sie ökonomisch aufgeschlossen haben. Hier spricht der Konservative Cameron, der sich vor mehr Wettbewerb im Arbeitsmarkt fürchtet. Doch seine Lösung, EU-Bürger von sozialen Leistungen in Großbritannien für einige Jahre auszuschließen, ist dagegen konsequent und richtig. Europa braucht auch im Blick auf die Sozialsysteme Wettbewerb, bei dem die verschiedenen Systeme mit unterschiedlichen Beitrags- und Leistungsbündeln ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen können und sich langfristig die leistungsstärksten durchsetzen und Vorbildcharakter annehmen.

Der damalige EU-Kommissar Ralf Dahrendorf hat 1971 unter dem Pseudonym Weiland Europa eine scharfe Kritik am damaligen Zustand der Europäischen Gemeinschaft geübt. Im Spiegel schrieb er dazu: „Es ist nicht alles in Europa schon darum gut, weil es europäisch ist. Ein europäisches Europa ist vielmehr auch ein differenziertes, buntes, vielfältiges Europa. Es ist ein Europa, in dem gemeinsam getan und gleichartig geregelt wird, was auf diese Weise besser, ja vielleicht nur auf diese Weise sinnvoll getan und geregelt werden kann.“ So hat es damals der Liberale Dahrendorf und so ähnlich hat es jetzt auch der Konservative Cameron formuliert. Es war und ist der Weg eines freiheitlichen Europas.

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